Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
aufmerksam zu, bemüht, die Geschichte zu verstehen,
die der andere ihm erzählte.
Seine Stirn legte sich in tiefe Falten.
»Aber ihr werdet doch sicher längst geeignete
Maßnahmen ergriffen haben?«, fragte er dann. Die Antwort befriedigte ihn offensichtlich
nicht. Sein Mund verzog sich unwillig.
»Gut – aber das kann natürlich nur der erste
Schritt gewesen sein. Weitere müssen folgen!«, mahnte er und machte kehrt.
Er würde seine Planung für diesen Samstag
ändern müssen.
Burkhard Grün war verärgert.
»Was soll das heißen, ihr habt keinen Kontakt?
Wie wäre es mit Telefonieren?«
Zornig machte er nun raumgreifendere Schritte
und überquerte den Münsterplatz in der Gegenrichtung. Er hatte keinen Blick mehr
für die Stände oder das imposante Münster, dessen frivole Wasserspeier ihn sonst
immer faszinierten.
»Ich verstehe noch immer nicht, was ich
für euch tun kann. Wenn ihr doch schon …«
Wortreich begann sein Gesprächspartner die
Notwendigkeit des Eingreifens seitens der Freiburger Gruppe zu begründen.
Burkhard Grün lief derweil an einem der
schmalen Wasserläufe entlang, die man hier liebevoll ›Bächle‹ nannte, und erreichte
die Kaiser-Joseph-Straße. Mit zügigen Schritten überquerte er die Haupteinkaufsmeile
und schimpfte vehement in sein Handy. Erst als er die amüsierten Blicke der Passanten
bemerkte, nahm er sich etwas zurück.
»Und das könnt ihr wahrhaftig nicht selbst
lösen? Ich fasse es nicht! Ihr wollt, dass ich die ganze Strecke bis Cottbus fahre,
nur um euch diese Kleinigkeit abzunehmen? Ja, sicher ist es immer besser, wenn jemand
von weiter weg so einen Auftrag durchführt, das sehe ich ein. Aber so weit weg muss
es auch wieder nicht sein! Das sind doch fast 800 Kilometer! Ja, ja, schon gut.
Ich kümmere mich um euer Problemchen. Mein Preis ist bekannt? Okay. Dann wäre das
ja geklärt. Wann ist der nächste Termin?«
Er grunzte zum Abschied unwillig und schob
das Telefon in seine Jacketttasche zurück.
Gut, dann würde er jetzt etwas essen und
die Fahrt vorbereiten. Cottbus. Wo lag das eigentlich genau?
Während er mit der Rolltreppe in der ›Schwarzwald
City‹ hochfuhr, begann er schon mit der Planung seines Einsatzes.
Er war ein Profi.
Und er würde auch diesen Auftrag wie immer
zur Zufriedenheit seiner Kunden erledigen.
Als er später in der Salatstube am Fenster
saß und auf den Platz hinter dem Herder-Buchhaus hinuntersah, wohlgefällig die renovierte
Fassade der alten Sparkasse betrachtend, war sein Ärger schon wieder verraucht.
Einen Plan hatten seine Auftraggeber auch
schon.
Und schließlich hatte man sich an ihn gewandt,
um die Lösung des Problems in kompetente Hände zu legen. Und diesmal musste er sie
sich nicht einmal selbst schmutzig machen.
Er würde die Auftraggeber nicht enttäuschen.
Grinsend betrachtete er seine sorgfältig
manikürten Finger.
Es waren bewährte Hände.
3
Drei Wochen später, Cottbus
Claudine Caro räumte ihre Arbeitskleidung in den Spind.
»Wow! Das ist ja ein tolles Schmuckstück!
Darf ich mal sehen?« Heide, ihre blonde, etwas dickliche und zu kurz geratene Arbeitskollegin,
streckte ihre Wurstfinger aus. Claudine beugte sich bereitwillig zu Heide hinunter
und erlaubte ihr, den Anhänger zu betasten.
»Was ist denn das?«
»Ein Amulett. Es beschützt mich vor den
Mächten des Bösen.«
»Und – hilft es?« Heide zwinkerte Claudine
fröhlich zu.
»Aber ja. Siehst du doch. Bisher läuft alles
rund.«
»Hm«, Heide Fischer verzog das Gesicht,
als denke sie angestrengt nach. »Vielleicht solltest du es besser mal mit einem
Liebeszauber versuchen und das Ding eine Weile nicht tragen. Könnte doch sein, dass
es dich – so ganz nebenbei – erfolgreich vor Männern beschützt.«
»Ach, du meinst, daran liegt das!« Claudine
lächelte.
»Na ja, es ist doch eine Schande. Eine so
hübsche junge Frau wie du – und noch immer ohne festen Freund« Heide zwinkerte Claudine
zu. »Dieser Meinert zählt in meinen Augen nicht! Der ist doch kein Partner für eine
Frau wie dich! Dabei kommen hier jeden Tag so viele gut gebaute Männer rein und
lassen sich von dir bedienen. Hast du etwa noch nie bemerkt, dass die Schlange vor
deiner Kasse doppelt so lang ist wie vor meiner?« Heide kicherte albern.
Claudine steckte ihre Bluse in die Jeans
und zog einen warmen Pullover über.
»An der Größe liegt es jedenfalls nicht.
Männer mögen lieber kleine Frauen, und in diese Gruppe gehöre ich nun bestimmt
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