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Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Titel: Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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Papiere,
keine Schlüssel in der Hosentasche, kein Handy in der Jacke.«
    Nachtigall wandte sich um und wäre um ein
Haar mit Staatsanwalt Dr. März zusammengestoßen.
    »Oh – das war knapp. Sie auch schon hier?«
    »Wie Sie sehen. Bei Fällen mit Verdacht
auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund ist stets Eile geboten.«
    »Wieso fremdenfeindlicher Hintergrund?«,
fragte Nachtigall verblüfft.
    Sie hatten Dr. Manz erreicht, der noch immer
neben dem Opfer kniete.
    Über den Fundort war eine Plane gespannt,
die weiteren Regen abhalten sollte, der Wind griff gierig hinein und spielte mit
dem knisternden Plastik. Das grelle Kunstlicht fiel auf eine Szene, die so sonderbar
irreal erschien wie ein Filmset.
    Selbst der sonst eher forsche, junge Arzt
war außergewöhnlich ernst.
    »Weil das Opfer afrikanischer Abstammung
ist«, beantwortete Nachtigall sich seine letzte Frage selbst und atmete tief durch.
    Die große Frau lag auf dem Bauch.
    Ihre schwarzen Haare waren blutdurchtränkt,
und auch unter ihrem Körper hatte sich eine große Lache gebildet, die am Rand des
überdachten Bereichs mit dem regennassen Untergrund verschmolz. Die hellen Handflächen
wiesen nach oben, Jacke und Pullover waren verrutscht, die Jeans bis unter das Gesäß
heruntergezogen, Schuh und Strumpf des linken Fußes fehlten.
    »Sie wurde vergewaltigt?«, wollte Skorubski
wissen.
    Der Arzt sah ihn einen Moment verständnislos
an, sein Blick wanderte zum Körper des Opfers zurück, und er schüttelte den Kopf.
»Oh – ich verstehe. Sie meinen wegen der Jeans. Nein, das war ich. Ich musste doch
ihre Körpertemperatur messen. Ob eine Vergewaltigung vorliegt, wird der Gerichtsmediziner
feststellen.«
    »Wie lange liegt sie schon hier?«, fragte
Nachtigall mit belegter Stimme.
    »Sie ist noch nicht kalt, wenn Sie das meinen.
Die Feuchtigkeit und den Wind berücksichtigt – vor zwei, drei Stunden hat sie noch
gelebt, denke ich. Mehr kann ich nicht zum Todeszeitpunkt sagen.«
    Seine behandschuhten Hände betasteten den
Hinterkopf der Toten, suchend, forschend, dann stockend. Er warf Nachtigall einen
seltsamen Blick zu, als wolle er abschätzen, wie viel er ihm zumuten konnte, dann
meinte er: »Todesursache ist allerdings ziemlich eindeutig. Ein heftiger Schlag.
Scharfe Gewalt würde ich mal vermuten. Der Täter hat ihr den Schädel gespalten.«
    Mit beiden Händen drückte er die Schädelhälften
leicht auseinander. Grau-beige Hirnmasse mit Blut vermengt quoll ihm entgegen.
    Dr. März stöhnte und kehrte mit ataktischen
Schritten zu Michael Wiener und dem Zeugen zurück.
    Peter Nachtigall hob seinen Blick, fixierte
einen Punkt an der Mauer und zählte langsam bis zehn. Dann atmete er tief durch.
    »Schlimm, nicht wahr?« Der Notarzt warf
dem Hauptkommissar einen prüfenden Blick zu.
    »Womit kann man einen Kopf derart spalten?
Mit einer Axt?«, erkundigte sich Nachtigall, ohne auf die Frage einzugehen und ohne
seine Augen von den Reflexionen der Scheinwerfer auf dem Backstein zu lösen.
    »Ehrlich gesagt, bin ich da nicht kompetent.
Der Rechtsmediziner wird eher eine Antwort auf diese Frage wissen. Ich persönlich
glaube, es war eine lange Klinge, viel länger als bei einer Axt«, er räusperte sich.
»Vor ein paar Jahren habe ich als Notarzt bei einem dieser Kampfspektakel gearbeitet,
bei dem eine Kriegsszene nachgestellt wurde. Dabei habe ich Verletzungen behandelt,
die dieser hier ähnlich waren. Natürlich wurde niemand erschlagen, die Waffen waren
selbstverständlich stumpf, aber es gab unbeabsichtigte Hiebe auf Unterarme oder
gegen Beine. Sie wurden durch Schwerthiebe verursacht. Vielleicht wurde hier eine
vergleichbare Waffe verwendet.«
    »Ein Schwert ist in unseren Breitengraden
eine ziemlich ungewöhnliche Waffe. Vielleicht war es doch eine Axt«, insistierte
Albrecht Skorubski.
    »Erst ein Schlag gegen die Beine – sehen
Sie hier, es hat mächtig geblutet. Dann nur ein Schlag gegen den Kopf. Gezielt und
entschlossen, Fundort ist auch Tatort. Ich denke, sie wurde dort auf dem Pfad getötet
und dann hier an die Mauer geschleift. Aber wirklich schockierend ist der Anblick
ihres Gesichts.«
    Damit drehte er das Opfer auf den Rücken.
    Mit einem heiseren Aufschrei fuhr Peter
Nachtigall zurück, wünschte sich, er könne auf dem Absatz kehrtmachen und im Dunkel
außerhalb der Scheinwerfer verschwinden. Selbst Dr. Manz’ Hände zitterten, und seine
dunklen Locken bebten.
    Diesmal hielt er sich mit bissigen Kommentaren
über Nachtigalls emotionale

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