Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
Vom Netzwerk:
Frankfurter Werkstatt das Wort »Fahrzeuginnenausbau« gelesen und eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass es nicht um »Fahrzeuginnen-Ausbau« gehe, sondern um »Fahrzeug-Innenausbau«. (Die taz hätte sicher von vorneherein »FahrzeugInnenausbau« geschrieben.)
FÄUSTELE
    Als Boris Becker 36 Jahre alt wurde (»zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein«, wenn ich aus gegebenem Anlass den Faust zitieren darf), als Boris Becker also 36 wurde, teilte er der Bunten mit, er habe sich mit Goethe beschäftigt und sei zu folgendem Ergebnis gekommen: »Wie Faust suche auch ich immer wieder Herausforderungen.« Diese früh angelegte Faust-Identifikation und lange Goethe-Rezeption veranlassten Becker dann, seiner eben mit 36 Jahren vorgelegten Autobiografie den Titel Augenblick, verweile doch… zu geben. Das Werk wurde Opa Franz und Vater Karl-Heinz zugeeignet. Man war gerührt. Erinnerte sich an Goethes Zueignung des Faust: »Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!«
    Und wie J.W. v. G. seinem Werk den »Prolog im Himmel« voranstellte, so gibt es auch bei Becker einen Prolog.
    Aber auf dem Sofa.
    Auch treten darin nicht die Erzengel auf, sondern Noah, Elias und Hund Juey, denen B. aus der Bibel vorliest – worauf Noah, Elias und Juey einschlafen und Becker »ein Glücksgefühl« empfindet. Das kann jeder Vater nachvollziehen, der nach hartem Tag die Rangen zur Ruhe gebracht hat, dazu mit so gehobener Lektüre. Doch vermeint Becker, der faustisch Sehnende, in seinem Buch sogleich, den Teufel im Raum zu spüren. »Holt Mephisto jetzt etwa meine Seele«, schreibt er, »weil ich in diesem Moment genau das empfinde, was Faust niemals empfinden zu können behauptete und worauf er sein Leben verwettete?«
    Hey, denkt man, das ist wie bei Deutschlehrers zu Hause! Wenn ich eben mal für jene, die den Faust nicht präsent haben, zitieren darf, was er im Studierzimmer zu Mephisto sagt?
    » Werd ich zum Augenblicke sagen:
    Verweile doch! du bist so schön!
    Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
    Dann will ich gern zugrunde gehn!«
    In Beckers Buchtitel wird das zu Augenblick, verweile doch…
    Und man hört den Leimener, wie er an einer Bar sitzt, ein Gretchen geht vorbei, und »der erfahrene Jäger« (Selbstbezeichnung, Seite 304) sagt in diesem herrlichen Leimenerdeutsch: »Ähm, Augenblick, verweile doch … Du bist so schön!« (Wie sagte er doch selbst in der Bunten : »Am Ende des Tages sind auch Tennisspieler Menschen, die in langen Nächten Neigungen haben.«)
    Ja, das wäre auch ein schöner Titel gewesen: Augenblick, verneige dich… Oder: Augenblick, übernachte doch…
    Wie gesagt, er war da 36, und manchmal wünschte man sich, seine Autobiografie gelesen habend, er würde erst mit siebzig Wimbledon gewinnen. Hätte noch Großes vor sich, nicht bloß Shows, Ehen und Geschäfte. Und würde einmal wieder in seiner ganz eigenen Sprache, nachdem er den Ball bloß ins Netz gejagt hatte, statt ihn drüber zu spielen, rufen, nein auf den Platz spucken wie einst: »Rüpä! Dä Pall muss rüpä!«
    Oder nach einem Break die Faust in die Luft stoßen, seine Faust, die Becker-Faust, die einzige Faust, die in seinem Leben wirklich je der Rede wert war.
FIARE
    Einmal im Frühherbst, als die Kühe noch draußen auf den Weiden standen, fuhr ich von München aus nach Süden durchs liebe Bayernland, war ein wenig müde, wollte mich erholen und wandern. Ich kam in ein Dorf, das ich sehr liebe, saß bei einem Bauern, den ich lange kenne, und trank Kaffee. Wir redeten über dieses und jenes und kamen, als wir über die Wanderwege der Gegend sprachen, auf Richtungsbezeichnungen und die Präpositionen, mit denen man diese Richtungen bezeichnete.
    Also: Fährt man von diesem Dorf (nennen wir’s Waldhausen) nach Rosenheim, so sagen die Einheimischen, sie führen nach Rosenheim »eine«. Begibt man sich aber Richtung München (wenn auch vielleicht nur bis zum Irschenberg), fährt man »auffe«. Nach Salzburg hingegen ebenso wie zum Beispiel nach Wasserburg geht es »obe«. Wandert man hinüber nach Treiblfing, geht man »umme«, auch nach Tannenburg übrigens. Nach Schneidling geht es »obe«, nach Steinhausen wiederum »auffe«, nach Hochholzen jedoch »hintre«, was die Hochholzener besser nicht hören, denn sie sind der Ansicht, ihr Ende des Tales sei der Anfang. Welcher Ort (Waldhausen oder Hochholzen) nun der Anfang ist und welcher das Ende, das wird auf ewig umstritten bleiben.
    Ich hatte mir, während wir so

Weitere Kostenlose Bücher