Wortstoffhof
redeten, alles notiert, dann ging ich aus dem Haus und meiner Wege, aber der Bauer kam mir hinterhergestürzt und rief, er habe etwas vergessen. »Was denn?«, fragte ich.
»Fiare«, sagte er. Wenn man unten in Schneidling sei und zum Beispiel von der Bank zum Rathaus hinübergehe oder vom Kaufhaus zum Schuster, dann gehe man »fiare«. Auch die Tannenburger sagten, wenn sie sich nach Birndorf begäben, sie führen »fiare«. Hingegen sagten die Birndorfer ihrerseits, wenn sie die Tannenburger besuchten, sie gingen »umme«.
»Warum das?«, fragte ich.
»Des is einfach so.«
Ich dachte: Wie kann man ein Land nicht lieben, das solche Präpositionen hat und diese Leidenschaft dafür!?
Ich wanderte für mich hin, zuerst ein wenig obe, dann auffe und umme. An einer Weide sah ich eine Herde braunweiß-gefleckter Kühe und beobachtete, wie eine Kuh mit den Vorderläufen auf eine andere kletterte, in der Art, wie man es vielleicht von einem Stier erwartet hätte, nicht jedoch von einer Kuh, aber was weiß man von den Tieren, ich jedenfalls wenig.
Wie unbeholfen das aussah! Ich dachte: Was das für ein Lebensgefühl sein muss, wenn man keine Hände hat … Man steht da so rum auf vier Beinen und kann nichts anfassen, nichts heben und nichts senken, nichts drehen und nichts wenden – das ist nicht schön! Es ist doch eigenartig, dass sich die Entwicklung von Händen für die Kühe im Laufe der Evolution nicht ergeben hat. Ich meine, unsere Vorfahren haben irgendwann den aufrechten Gang erlernt und aus den vorderen Extremitäten Hände entwickelt – warum? Weil es ihnen von Nutzen war. Auch den Kühen wäre aber die Entstehung von Händen nützlich gewesen, meine ich.
Erstens könnten sie sich gegenseitig selbst melken. Zweitens wären sie dann in der Lage – einen Zuwachs anHirnfähigkeiten vorausgesetzt, der sich aber wie von selbst eingestellt hätte, denn das Hirn eines Wesens, das Hände hat, muss sich automatisch besser entwickeln als das eines handlosen Tieres –, zweitens also wären sie dann in der Lage, auch Butter und Käse selbst herzustellen und die so entstandenen Produkte auch selbst zu vermarkten. Drittens hätte so eine ganz und gar eigenständige Rinderwelt entstehen können: Wo immer man sich bewegte, stünden Kühe am Wegesrand und verkauften Molkereiwaren. Und früge man sie nach dem Weg, würden sie selbstverständlich einen Arm heben und den Weg zeigen: Do umme, dort obe, hier auffe …
Daran hat natürlich kein Mensch ein Interesse, denn wenn das so wäre, bestünden ja die Bauernverbände entweder gar nicht oder aus Rindviechern. Das kann niemand wollen. Also ist es gerade so schön wie es ist.
Voll solcher Gedanken fuhr ich nach München auffe.
FISCHTAGESZEITUNG
Als ich ein kleiner Junge war, befand sich gleich um die Ecke unseres Hauses ein Fischgeschäft, in dem es frischen Fisch gab, der, wenn man ihn gekauft hatte, in eine alte Zeitung eingewickelt wurde. Solche Fischgeschäfte sind selten geworden, noch seltener aber jene Fischgeschäfte, in denen der Fisch in alte Zeitungen verpackt wird; der Fischhändler von Rang hat dazu heute sein spezielles funkelnagelneues Packpapier. Am allerseltensten aber sind Orte, an denen frischer Fisch zusammen mit einer frischen Zeitung angeboten wird. Im Grunde kenne ich nur einen, dank Frau W. aus Wasserburg, die mit ihrer Schwester nach Venedig reiste und dort in der Trattoria Sempione speiste, über die man schon im Internet (→ Drahthuhn ) erfährt: »Reservierungen empfahlen sich, weil du deine Tabelle hier ergreifen kannst, nur wenn sehr glücklich.« Hier, in der Trattoria Sempione , gibt es nun eben frischen Fisch und dazu diesen Satz: »Außer Zahl der köstlichen lokalen Teller, bietet trattoria frische Fischtageszeitung an.«
FÖTENGRUPPE
Herr H. aus Kissing schickte mir einen kleinen Artikel aus der Friedberger Allgemeinen , eine Meldung, in der im Dezember 2006 über den offenbar traditionellen Lichterzug der dortigen CSU berichtet wurde, der sich vom Marxenwirt zur Burgstallkapelle bewegte. Dort gab es eine Andacht, bei der unter anderem »eine nachdenkliche und besinnliche Geschichte« vorgetragen wurde. Dann hieß es in der Friedberger Allgemeinen weiter: »Die Fötengruppe intonierte zwischendurch immer wieder weihnachtliche Weisen.«
Man liest das nicht ohne Stutzen. »Die Fötengruppe«. Eine Unterorganisation der Jungen Union Kissing? Oder »ein Fall für den Ethikrat«, wie Herr H. anmerkte?
Natürlich wird dem Leser schnell
Weitere Kostenlose Bücher