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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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spricht heute noch vom »Joschka-Joschka-Effekt«, den es unter allen Umständen für immer auszuschalten galt.
    Die Regierung plante deshalb, durchzusetzen, dass in Restaurants, Zügen und Flugzeugen »gesunde Alternativen« auf den Speiseplan kommen. Wäre es nicht besser, dachte ich, hier aus der Bekämpfung des Rauchertums zu lernen? Essen in Restaurants, Zügen und Flugzeugen überhaupt zu verbieten? Wer essen will, dachte ich, soll gefälligst vor die Tür gehen, wo ihn jeder sehen kann, und wo es den Kontrolleuren der Bundesfettagentur leichter fällt (analog zu Führerscheinkontrollen), schnelle Schrittzählerüberprüfungen durchzuführen.
    Man muss bedenken, dass Produktion und Verzehr von Lebensmitteln mit Entstehung von Kohlendioxid und Methan verbunden sind. Wer jetzt noch isst, vernichtet die Lebensmöglichkeiten auf der Erde. Der Nationale Aktionsplan und das Kyoto-Protokoll gingen also Hand in Hand. Wobei man vom Kyoto-Protokoll ja immer wieder gehört hat, aber vom »Nationalen Aktionsplan Fit statt fett« eigentlich immer weniger.
    Warum – das verstehe ich auch nicht.
ENTRÜPELUNG
    Wie ich die Dienstleistungsgesellschaft liebe! Herr P. aus München schickte mir das Foto eines Firmenschildes, auf dem »Transporte, Büro & Küchen-Montage, Entrüpelung« offeriert wurden, Letzteres ein Dienst, den man mittlerweile nur gar zu gern beinahe täglich in Anspruch nehmen würde, denn die Zahl der Rüpel auf unseren Straßen und Radwegen sowie auch in den Fußgängerzonen hat unüberschaubare Ausmaße angenommen. Entrüpelung tut dringend not (→ Hupraum ).
ERFÜHLUNG
    2002 hat das Institut der deutschen Wirtschaft festgestellt: Es gibt nicht nur die statistischen, Monat für Monat vom zuständigen Bundesamt gemessenen Preissteigerungen, es gibt auch eine »gefühlte Inflation«. (Nicht zu verwechseln mit der »gefüllten Inflation«, die gibt es nicht, und auch nicht mit der »gefühlten Kalbsbrust«, die gibt es nur in wenigen Gasthöfen des Auslands.)
    Die meisten von uns hatten das natürlich längst gewusst. Denn wie es viele Menschen gibt, die wetterfühlig sind, bei denen also angesichts nahender Gewitter oder heranziehender Tiefs eine alte Kriegsverletzung schmerzt oder eine Operationsnarbe juckt, so gibt es unter uns auch die Preisfühligen, die beim Betreten teurer Lokale oder bestimmter Modegeschäfte von einem Schwindel befallen werden. Sie müssen sich an ihrem Partner festhalten, und fragt man, was mit ihnen sei, antworten sie: »Ich fühle es, die Preise sind hier so hoch, zehn Prozent mehr als nebenan.«
    Es gibt natürlich auch Leute, die da vollkommen unempfindlich sind. Sie spüren einfach nicht, ob etwas zu teuer ist. Das sind jene, die man dann in der Bank am Geldautomaten sieht, wie sie blassen Gesichts die Maschine umklammern, um nicht ohnmächtig zu werden. Oder wie sie sich in den Papierkorb neben dem Kontoauszugdrucker erbrechen.
    Die Inflationsfühligen unter uns aber hatten sich schon Wochen vor jener Bekanntgabe durch das Institut der deutschen Wirtschaft gesagt: 1,9 Prozent Preissteigerung seitEinführung des Euro – das kann nicht angehen, es müssen etwa 4,8 Prozent sein.
    Und was sagte dann das Institut? Die gefühlte Inflation betrage 4,8 Prozent.
    Eine schöne Bestätigung für uns Gefühlsmenschen! Jeder von uns hatte doch gemerkt, dass der Euro das Leben verteuerte, und dabei hatten wir sowieso schon über unsere Verhältnisse gelebt. Kiwi-Früchte waren nach dem Warenkorb des Statistischen Bundesamtes 30 Prozent teurer geworden, Rollmops 15,6 Prozent, Ölsardinen 16,1 Prozent – man wusste ja schon gar nicht mehr, was man essen sollte! »Feindesinfektionsmittel« plus 2,3 Prozent, stand da.
    Feindes-Infektionsmittel? Ach so: Fein-Desinfektionsmittel. Natürlich gab es auch Produkte, die billiger wurden: Tintenstrahldrucker zum Beispiel minus 17,2 Prozent oder Spielzeugautos minus 0,4 Prozent. Wahrscheinlich liegt hier generell die Lösung des Inflationsproblems für den Bürger: Wenn also die Preise für neue Absätze von Damenschuhen um 5,7 Prozent steigen, die Kosten für Schweinekoteletts aber um 5,7 Punkte fallen, dann kaufen wir Koteletts statt Absätze, das ist logisch, oder?
    »Mögen alle Deine Wünsche in Erfühlung gehen!« So gratulierte mir jemand zum Geburtstag. Ein Wunsch, der auch mich erfüllt und den ich erfühle.

F
FAHRGASTWUNSCH
    In den neueren Straßenbahnen der Leipziger Verkehrsbetriebe, schreibt mir Frau R., gebe es kleine gelbe Kästen mit

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