WoW 01 - Aufstieg der Horde
können? Wie hatte er sich nur so leicht verführen lassen können? Wieso hatte er die Lügen nicht durchschaut?
Tränen quollen aus seinen Augen und liefen ihm über die Wangen, und auch das nur, wie er wusste, weil Kil'jaeden es gestattete.
Kil'jaeden lächelte ihn an. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit Gul'dan zu. Selbst in seinem erbärmlichen Zustand zog Ner'zhul Trost aus der Tatsache, dass er Kil'jaeden nie mit dem gleichen Gesichtsausdruck wie Gul'dan angeschaut hatte – dem eines hungrigen Welpen, der nach Belohnung lechzt.
»Ich muss dich nicht mit schönen Lügen einfangen, mein neues Werkzeug, nicht wahr?«, sagte Kil'jaeden mit fast liebevoller Stimme.
»Ganz gewiss nicht, mein Herr. Ich lebe, um dir zu dienen.«
Kil'jaeden lachte. »Wenn ich die Lügen weglasse, musst du das auch. Du lebst für die Macht. Du hungerst danach. Du dürstest danach. Und während der letzten Monate sind deine Fähigkeiten so stark angewachsen, dass du mir von großem Nutzen sein wirst. Unsere Partnerschaft basiert nicht auf Verehrung oder Respekt, sondern auf Annehmlichkeit und Selbstsucht, weshalb sie wahrscheinlich Bestand haben wird.«
Verschiedene Gefühle huschten über Gul'dans Gesicht. Er schien nicht zu wissen, wie er auf die Worte reagieren sollte. Und Ner'zhul hatte Freude an dem Unbehagen, das sein früherer Schüler offensichtlich empfand.
»Wie... du willst«, stammelte Gul'dan schließlich. Dann fügte er mit mehr Selbstsicherheit hinzu: »Sag mir, was ich tun soll, und ich schwöre, es wird getan.«
»Du hast ohne Zweifel festgestellt, dass ich die Vernichtung der Draenei wünsche. Warum ich das will, geht dich nichts an. Du musst nur wissen, dass ich es will. Die Orcs machen das schon ganz gut, aber sie könnten besser sein. Sie
werden
besser sein. Ein Krieger ist immer nur so gut wie seine Waffe. Und, Gul'dan, ich beabsichtige, dir und deinem Volk Waffen zu geben, wie ihr sie noch nie gesehen habt. Es wird etwas Zeit dauern, ihr müsst zuerst ausgebildet werden, bevor ihr andere ausbilden könnt. Seid ihr willig und bereit?«
Gul'dans Augen leuchteten. »Beginne mit den Lektionen, herrliches Wesen, und du wirst sehen, wie geeignet ich als dein Schüler bin.«
Kil'jaeden lachte.
Durotan war mit Blut besudelt, und das meiste davon war sein eigenes. Was war schiefgelaufen?
Am Anfang war es wie immer gewesen. Sie hatten die Jägergruppe aufgespürt, waren über sie hergefallen, hatten den Angriff begonnen und darauf gewartet, dass die Schamanen ihre Magie einsetzten, um die Draenei niederzumachen.
Doch sie taten es nicht. Stattdessen fiel ein Frostwolf nach dem anderen unter den schimmernden Klingen und der blauweißen Magie der Draenei. Als Durotan selbst um sein Leben kämpfte, sah er Drek'Thar, wie der sich verzweifelt wehrte, mit nichts anderem als seinem Stab.
Was war passiert? Warum waren ihnen die Schamanen nicht zu Hilfe gekommen? Was dachte sich Drek'Thar dabei? Er konnte mit dem Stab kaum besser kämpfen als ein Kind. Warum benutzte er nicht seine Magie?
Die Draenei kämpften wütend, zogen ihre Vorteile aus dem unerklärlichen Nichtstun der Schamanen. Sie verstärkten ihre Attacken. Ihre Augen blitzten, als sie den Sieg spürten, vielleicht zum ersten Mal. Das Gras war feucht vom Blut, und Durotan rutschte darauf aus. Er fiel, und sein Angreifer erhob das Schwert.
Das war es also. Er würde in einem glorreichen Kampf sterben. Allerdings empfand er diese Schlacht nicht als glorreich. Instinktiv hob er die Axt, um den Schlag abzuwehren. Sein Arm war bereits verletzt, und seine Muskeln verkrampften sich. Er sah in die Augen desjenigen, der ihn töten würde.
Und er erkannte Restalaan!
Die leuchtenden blauen Augen des Hauptmanns der Draenei-Wache waren auf ihn gerichtet, und Restalaan erkannte auch ihn wieder – und hielt inne.
Durotan schnappte nach Atem und versuchte, genug Energie zu sammeln, um aufzustehen und weiterzukämpfen. Restalaan rief etwas in seiner melodischen Sprache, und die Draenei unterbrachen den Angriff.
Als Durotan auf die Füße kam, erkannte er, dass nur noch eine Handvoll Orc-Krieger übrig war. Um ein Haar hätten die Draenei seine komplette Gruppe ausgelöscht, bei nur zwei oder drei Verlusten auf eigener Seite.
Restalaan wirbelte zu Durotan herum. Verschiedene Emotionen wanderten über sein hässliches Gesicht. Mitleid, Empörung, Bedauern, Entschlossenheit. »Für die Gnade und Ehre, die du unserem Propheten erwiesen hast, Durotan, Sohn von
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