WoW 02 - Der letzte Wächter
gesehen?«
Khadgar schilderte das Auftauchen des Dämons aus der Wolke aus kochender blutiger Milch bis zu dem Punkt, wo er vor dem Bett gestanden und die Hand gehoben hatte.
Der Magus schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das war wieder eine deiner Visionen«, sagte er schließlich. »Ein Stück Zeit hat sich losgerissen und ist in den Turm eingefallen, wo es ebenso schnell wieder verschwand.«
»Aber der Dämon …«, begann Khadgar.
»Der Dämon, den du beschrieben hast, gibt es in diesem Leben nicht mehr«, sagte Medivh. »Er wurde getötet und in den Ozean geworfen, bevor ich geboren wurde. Du hattest eine Vision von Sargeras aus
,Das Lied von Aegwynn'
. Die Schriftrollen liegen vor dir. Du hast wohl die Nachrichten entschlüsselt. Vielleicht hat das den aus der Zeit gerissenen Geist in dieses Zimmer gelockt. Du solltest hier nicht arbeiten, während ich schlafe.«
Er zog die Augenbrauen zusammen, als sei er nicht sicher, ob er wütend werden sollte.
»Es tut mir Leid … Ich wollte Euch nicht allein lassen.« Khadgar klang unbeholfen.
Medivh erlaubte sich ein Lächeln. »Ich habe nicht gesagt, dass ich es verbiete, und ich glaube nicht, dass Moroes dich aufgehalten hätte. Schließlich musste er sich dann selbst etwas weniger um mich kümmern …« Er strich mit Daumen und Zeigefinger über Lippen und Bart. »Ich glaube, ich hatte genügend Suppe für den Rest meines Lebens. Und nur damit du dich sicherer fühlst, werde ich die mystischen Schutzzauber des Turms überprüfen. Ich werde dir zeigen, wie man sie anlegt. Ist abgesehen von Dämonenvisionen noch etwas in meiner Abwesenheit geschehen?«
Khadgar fasste die Nachrichten zusammen, die er erhalten hatte. Die sich häufenden Orc-Zwischenfälle. Lothars Karte. Die geheimnisvolle Nachricht über den Abgesandten. Und die Nachricht von Guzbahs Tod.
Medivh grunzte, als er hörte, wie Guzbah gestorben war und sagte: »Jetzt werden sie also Guzbah die Schuld in die Schuhe schieben, bis der nächste arme Narr zerfetzt wird.« Er schüttelte den Kopf und fügte hinzu: »Fest der Schriftgelehrten. Das war vor Huglars und Hugarins Tod.«
»Ungefähr anderthalb Wochen davor«, bestätigte Khadgar.
»Ein Dämon hätte genügend Zeit, um von Dalaran nach Stormwind zu fliegen.«
»Oder ein Mann auf dem Rücken eines Greifen«, sagte Medivh nachdenklich. »Es gibt nicht nur Dämonen und Magie in dieser Welt. Manchmal reicht auch eine einfachere Antwort aus. Sonst noch etwas?«
»Die Orcs werden anscheinend immer zahlreicher und gefährlicher«, sagte Khadgar. »Lothar sagt, dass sie sich nicht mehr auf Karawanenüberfalle beschränken, sondern auch Siedlungen angreifen. Kleine Siedlungen, aber die Menschen zieht es deshalb nach Stormwind und in die anderen Städte.«
»Lothar macht sich zu viele Sorgen«, widersprach Medivh und schnitt eine Grimasse.
»Er ist besorgt, ja«, erwiderte Khadgar ruhig. »Niemand weiß, was als Nächstes geschehen wird.«
»Ganz im Gegenteil.« Medivh stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wenn alles, was du erzählt hast, der Wahrheit entspricht, werden sich die Ereignisse genau so abspielen, wie ich es erwartet habe.«
ZEHN
DER ABGESANDTE
Während Medivh sich erholte, beruhigten sich die Ereignisse in seiner Umgebung – so sehr sie sich in der Gegenwart des Magus überhaupt beruhigen konnten. Wenn er abwesend war, hinterließ er Khadgar Anweisungen zur Verbesserung seiner magischen Talente, und wenn er sich Medivh im Turm aufhielt, musste der junge Magier diese neugewonnenen Fähigkeiten auf ein Fingerschnipsen hin vorführen können.
Khadgar passte sich schnell an, fühlte sich jedoch, als seien seine Fähigkeiten wie Kleidung, die ihm um zwei Nummern zu groß war und in die er erst noch hineinwachsen musste. Er konnte jetzt Feuer mit seinem Willen kontrollieren, Blitze ohne eine einzige Wolke am Himmel herbeirufen und kleine Gegenstände durch die Kraft seines Geistes dazu bringen, auf der Tischplatte zu tanzen. Er lernte auch andere Zaubersprüche – wie zum Beispiel einen Spruch, mit dem er aus nur einem Knochen eines Leichnams dessen Todesursache lesen oder einen anderen, mit dem man Bodennebel aufsteigen lassen konnte; sogar noch einen dritten, mit dessen Hilfe man magische Botschaften für andere hinterließ. Er lernte, wie man einem leblosen Gegenstand das wahre Alter nimmt und kräftigte so einen morsch gewordenen Stuhl. Auch das Gegenteil erlernte er und entzog einer neu geschnitzten Keule deren
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