WoW 06 - KdA 1 - Die Quelle der Ewigkeit
erwachsen würde, aber er konnte sich nicht erinnern, wo und wann die Tragödie ihren Anfang genommen hatte. Wenn er jetzt, an diesem kritischen Punkt, Misstrauen unter den Aspekten säte, beschwor er eine Katastrophe, die vielleicht noch größer war als die, die der Erdwächter in der Zukunft verkörperte.
Und doch …
»Ich war überrascht, dass Ysera mich benachrichtigte und nicht du«, sagte der Schwarze. »Geht es dir gut, Alexstrasza?«
»Ja, Neltharion.«
Er betrachtete ihre Begleiter. »Und dir, junger Korialstrasz? Dir scheint es nicht gut zu gehen.«
»Eine vorübergehende Krankheit«, antwortete der rote Drache respektvoll. »Es ist mir eine Ehre, Euch wiederzusehen, Wächter der Erde.«
Sie unterhielten sich wie Bekannte und doch erinnerte sich Krasus, dass Neltharion ihn als Deathwing kaum erkannt hatte. Zur Zeit der Orc-Kriege war der schwarze Riese dem Wahnsinn bereits so lange verfallen gewesen, dass er vergangene Freundschaften längst vergessen hatte. Nichts außer seinem dunklen Ziel hatte für ihn gezählt.
Aber hier war Neltharion immer noch sein Verbündeter. Er blickte über Korialstrasz' Kopf hinweg auf die kleine, angespannte Gestalt. »Du bist also derjenige. Hast du einen Namen?«
»Krasus!«, schnappte der Magier. »Krasus!«
»Ein mutiger kleiner Mann«, sagte Neltharion amüsiert. »Ich glaube, dass er tatsächlich ein Drache ist, so wie Ysera es angedeutet hat.«
»Ein Drache, der eine Geschichte zu erzählen hat«, fügte Alexstrasza hinzu. Sie blickte empor zur Decke, zu der Stelle, wo sie und die anderen in die Höhle gelangt waren. »Aber ich würde es vorziehen, Nozdormu noch etwas Zeit zu lassen, bevor wir beginnen.«
»Du willst dem Zeitlosen mehr Zeit geben?« Malygos lachte. »Wie nett! Ich werde den schlechtgelaunten Nozdormu erst gehen lassen, wenn er sich dazu geäußert hat.«
»Und du wirst ihn bestimmt
zeitig
daran erinnern, nicht wahr?«, gab Neltharion zurück. Er grinste breit.
Malygos lachte noch lauter. Er und Neltharion traten beiseite und begannen sich zu unterhalten.
»Sie mögen vielleicht nicht vom gleichen Geblüt sein«, sagte Ysera und folgte ihnen mit Blicken aus ihren geschlossenen Augen. »Aber sie sind Brüder im Geiste.«
Alexstrasza stimmte zu. »Es ist gut, dass Neltharion sich mit Malygos beschäftigt. Mir gegenüber hat er sich in der letzten Zeit sehr schweigsam verhalten.«
»Ich spüre seine Distanz ebenfalls. Die Taten der Nachtelfen erfüllen ihn nicht eben mit Freude. Er sagte einmal, sie hätten den größenwahnsinnigen Wunsch, wie die Schöpfer zu werden, ohne deren Wissen und Weitsicht zu besitzen.«
»Damit hat er vielleicht Recht«, antwortete die Königin des Lebens. Ihre Blicke glitten zu Krasus.
Der Magier fühlte sich unwohl unter ihrem Blick. Alexstrasza war es, die seine Warnung am dringlichsten benötigte. Durch Deathwings Taten war sie zu einer Sklavin der Orcs geworden, und ihre Kinder waren skrupellos dem Kampf geopfert worden. Deathwing hatte die letzten Tage des Orc-Kriegs genutzt, um nach dem zu suchen, wonach ihn wirklich gelüstete … nach den Eiern der Königin des Lebens. Seinen eigenen Schwarm hatte er durch seine wahnsinnigen Pläne beinahe ausgelöscht.
Welche Grenze ziehe ich?
, fragte Krasus sich selbst.
Wann werde ich sie endgültig überschreiten? Ich kann nichts über die Orcs preisgeben, nichts über den Verrat des Erdwächters, nichts über die Brennende Legion … ich kann ihnen nur so viel sagen, dass es wahrscheinlich genügen wird, mich und Rhonin hinzurichten!
Frustriert starrte er einen der Gründe für sein Problem an. Neltharion unterhielt sich freundlich mit Malygos, der den anderen wartenden Drachen den Rücken zuwandte. Der große Schwarze streckte seine Flügel aus und nickte zu einer Bemerkung seines glitzernden Gesprächspartners. Wären sie Menschen, Zwerge oder Angehörige eines anderen sterblichen Volks gewesen, hätte man sich die beiden auch biertrinkend in einer Taverne vorstellen können. Die niederen Völker betrachteten die Drachen entweder als monströse Bestien oder als würdevolle Weise – doch in Wirklichkeit waren ihre Persönlichkeiten in mancher Weise so erdverbunden wie die der Wichte, über die sie wachten.
Neltharions Blicke lösten sich kurz von Malygos und wechselten zu Krasus.
Und in diesem kurzen Augenblick begriff Krasus, dass er und die anderen bisher nur die Fassade des Schwarzen gesehen hatten. Die Dunkelheit hatte bereits Besitz vom Wächter der
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