WoW 06 - KdA 1 - Die Quelle der Ewigkeit
Oberkörper erinnerte an den eines Nachtelfs, obwohl ein Hauch des smaragdgrünen Waldes seine dunkle Haut färbte und er eine viel breitere und muskulösere Statur aufwies als seine beiden männlichen Schüler. Aber jenseits des Oberkörpers endete jede Ähnlichkeit. Cenarius war kein einfacher Nachtelf. Er war nicht einmal sterblich.
Cenarius war ein Halbgott.
Seine Ursprünge kannte nur er selbst, aber er war ebenso ein Teil des großen Waldes, wie dieser ein Teil von ihm. Als die ersten Nachtelfen aufgetaucht waren, hatte Cenarius bereits lange hier gelebt. Er behauptete, mit ihnen verwandt zu sein, doch hatte er niemals erklärt, in welcher Weise.
Die Wenigen, die zu ihm kamen, um von ihm zu lernen, verließen ihn stets berührt, sogar verändert. Andere verließen ihn überhaupt nicht und wurden so von seinen Lehren verwandelt, dass sie sich entschieden, ihr eigenes Volk zu verlassen und sich stattdessen dem Halbgott zum Schutze seines Reiches anzuschließen. Sie waren nicht länger Elfen, sondern Waldwächter, deren Leiber für immer umgeformt waren.
Eine dicke, moosgrüne Mähne floss von seinem Kopf herab, während Cenarius seine Schüler mit freundlichen Augen aus purem Gold betrachtete. Er klopfte Malfurion sanft mit Händen auf die Schulter, die in Krallen aus knorrigem, altem Holz endeten – Klauen, die in der Lage waren, einen Nachtelf mühelos in Stücke zu reißen. Dann trat Cenarius zurück … auf seinen vier Beinen.
Der Oberkörper des Halbgottes mochte dem eines Nachtelfen gleichen, aber die untere Hälfte war die eines riesigen, prächtigen Hirsches. Cenarius bewegte sich so flink und behände wie jeder der drei anderen. Er hatte die Geschwindigkeit des Windes, die Stärke der Bäume. In ihm spiegelte sich das Leben und die Vitalität des Landes. Er war zugleich sein Kind und sein Vater.
Und wie ein Hirsch trug auch er ein Geweih – riesige, großartige Sprossen, die Schatten auf sein gestrenges, aber auch väterliches Gesicht warfen, das von einem langen, dichten Bart umrahmt wurde. Das Geweih erinnerte daran, dass jede Blutsverwandtschaft zwischen Halbgott und Nachtelf weit, weit in der Vergangenheit liegen musste.
»Ihr habt eure Sache alle gut gemacht«, fügte er mit einer Stimme hinzu, die stets wie ferner Donner klang. Blätter und Zweige, die buchstäblich seinem Bart entsprossen, brachten das Haar der Gottheit in Bewegung, wann immer sie sprach. »Geht jetzt. Bewegt euch wieder eine Zeit lang unter eurem eigenen Volk. Es wird euch gut tun.«
Alle drei erhoben sich, aber Malfurion zögerte. Er blickte seine Gefährten an und sagte: »Geht ihr voraus. Ich treffe euch am Ende des Pfades. Ich muss mit Cenarius sprechen.«
»Wir können warten«, meinte Tyrande.
»Das ist nicht nötig. Es wird nicht lange dauern.«
»Dann sollten wir ihn in Ruhe lassen«, warf Illidan schnell ein und fasste den Arm des Mädchens. »Komm, Tyrande.«
Sie warf Malfurion einen letzten, langen Blick zu, aber der Nachtelf drehte sich schnell um. Er wollte seine Gefühle verbergen. Er wartete, bis beide verschwunden waren, dann wandte er sich wieder dem Halbgott zu.
Die sinkende Sonne schuf Schatten im Wald, die zu Cenarius' Unterhaltung zu tanzen schienen. Der Halbgott lächelte ihnen zu, den Bäumen und anderen Pflanzen, die sich im Gleichklang bewegten.
Malfurion sank auf ein Knie und wandte seinen Blick zur Erde. »Mein Shan'do«, begann er und sprach Cenarius mit dem Titel an, der in der alten Sprache »Geehrter Lehrer« bedeutete. »Vergebt mir meine Frage …«
»Du solltest dich vor mir nicht so unterwürfig benehmen, junger Elf. Steh auf …«
Der Nachtelf gehorchte zögernd, aber er hielt seinen Blick gesenkt.
Das brachte den Halbgott zum Kichern, ein Laut, der durch das plötzliche lebhafte Zwitschern von Singvögeln verstärkt wurde. Wann immer Cenarius sich regte, regte sich der Wald im Einklang mit ihm.
»Du erweist mir sogar noch mehr Ehre als jene, die behaupten, in meinem Namen zu beten. Dein Bruder verbeugt sich nicht vor mir, und trotz all ihres Respekts vor meiner Macht, unterwirft sich Tyrande Whisperwind nur Elune.«
»Ihr habt angeboten, mich zu lehren – uns zu lehren –, was kein Nachtelf jemals erlernt hat …« Er erinnerte sich noch immer an den Tag, als er sich dem heiligen Wald genähert hatte. Dutzende von Legenden berichteten von Cenarius, aber Malfurion hatte die Wahrheit erfahren wollen. Als er jedoch den Namen des Halbgottes rief, hatte er nicht wirklich mit
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