WoW 07 - KdA 2 - Die Dämonenseele
neue Bürde aufladen? Tyrande riss sich zusammen und erklärte: »Nein, das erlaube ich nicht.«
»Schwester ...«
Sie setzte ihre neue, wenn auch unerwünschte Autorität ein und sah Marinda scharf an. »Ich muss diese Position wohl annehmen, aber ich werde nicht zulassen, dass uns eine Zeremonie von den Gefahren um uns herum ablenkt. Ich werde das Amt der Hohepriesterin annehmen, zumindest bis dieser Krieg vorüber ist, aber ich werde meine Kleidung behalten.«
»Aber die Robe deines Amtes…«
»Ich werde meine Kleidung behalten, und es wird keine Zeremonie geben. Ein solches Risiko können wir nicht eingehen. Wir werden im Namen von Mutter Mond weiterhin heilen und kämpfen. Verstanden?«
»Ich…« Marinda kniete nieder und senkte den Kopf. »Ich gehorche, Milady.«
»Erhebe dich. Diesen Gehorsam wünsche ich nicht. Wir sind alle Schwestern und im Herzen gleich. Wir alle beten zu Elune. Niemand soll mich anbeten.«
»Wie du es wünschst.« Aber die ältere Priesterin erhob sich nicht. Sie schien etwas von Tyrande zu erwarten. Nach einem kurzen Moment der Verwirrung erkannte sie, worum es ging.
Tyrande hoffte, dass ihre Hand nicht zittern würde, als sie sie auf Marindas Kopf legte. »Im Namen von Mutter Mond, der großen Elune, die über uns alle wacht, segne ich dich.«
Sie hörte, wie die andere Priesterin erleichtert durchatmete. Marinda erhob sich. Ihr Gesichtsausdruck erinnerte Tyrande an jenen, den sie selbst und die anderen Priesterinnen in Gegenwart ihrer ehrenwerten Lehrerin getragen hatten. »Wenn es dir recht ist, werde ich den anderen deinen Willen übermitteln.«
»Ja… danke.«
Als sich Marinda abwandte, brach Tyrande beinahe zusammen. Das war doch nicht möglich! In gewisser Weise war dies beinahe so schrecklich, wie der Brennenden Legion gegenüberzutreten. Sie als Leiterin des Ordens! Das war wahrlich das Ende von Kalimdor!
»Wie wundervoll!«, rief Shandria und klatschte in die Hände. Sie lief zu Tyrande und schien sie umarmen zu wollen, blieb dann jedoch stehen und versuchte, ernst zu wirken. Wie auch schon Marinda kniete die Waise vor ihr nieder und erwartete ihren Segen.
Resignierend segnete Tyrande sie. Shandria sah sie voller Ehrerbietung an. »Ich folge dir für den Rest meines Lebens, Milady.«
»Nenn mich nicht so. Ich bin immer noch Tyrande.«
»Ja, Milady.«
Die neue Leiterin des Tempels seufzte und dachte darüber nach, was als nächstes zu tun war. Wahrscheinlich gab es endlose Rituale, die sie als Hohepriesterin durchführen musste. Tyrande erinnerte sich daran, dass ihre Vorgängerin zahllose Gebete geleitet hatte. Der Tempel hielt auch jeden Abend Zeremonien ab, um den Mondaufgang zu gewährleisten und das Wohlwollen der Götter zu erbitten. Abgesehen davon gab es auch Zusammenkünfte und Feiern zu bestimmten weltlichen Anlässen.
Sie blickte missmutig in die Zukunft, fühlte sich mehr gefangen denn geehrt.
Ein plötzliches Stöhnen aus dem Flüchtlingslager unterbrach ihre Gedanken. Tyrande erkannte, was das Stöhnen bedeutete. Sie hatte ähnliche Laute schon zu oft gehört. Jemand litt unter furchtbaren Schmerzen.
Die Zeremonie musste warten. Die Rituale mussten warten. Tyrande war dem Orden vor allem aus einem Grund beigetreten – um anderen durch die Geschenke Elunes zu helfen.
Die neue Hohepriesterin ging auf die Quelle des Stöhnens zu, um ihrer eigentlichen Berufung zu folgen.
Achtzehn
Die Königin hatte beschlossen auszureiten, und wenn Azshara etwas beschloss, konnten auch alle Dämonen der Welt sie nicht umstimmen… was bedeutete, dass Captain Varo'then erst recht keine Chance hatte, sie daran zu hindern.
Sie hatte den Palast vor langer Zeit zum letzten Mal verlassen. Jetzt waren sie und ihre Zofen von riesigen Leibwächtern und einem zusätzlichen Trupp Soldaten umgeben, als sie die Palasttore hinter sich ließen und in die Stadt ritten.
In die Ruinen der einstigen Stadt.
Seit ihrer Zerstörung hatte die Herrin der Nachtelfen Zin-Azshari nicht mehr betreten. Ihre Blicke glitten über die vernichteten Häuser, die schuttbedeckten Straßen und die Leichen, die gelegentlich noch fast unversehrt zwischen den Trümmern lagen, weil es keine Aasfresser mehr gab. Azshara schürzte die Lippen und zog die Nase kraus. Offenbar gab es hier einen Geruch, der ihr missfiel.
Varo'then starrte ungehalten auf die Ruinen. Nichts durfte seine Königin verstören. Wenn er die Zerstörungen mit seinem Schwert hätte beseitigen können, so wie
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