WoW 09 - Arthas-Aufstieg des Lichkönigs
Augen waren weit aufgerissen vor nunmehr stummer Qual. Arthas zog die Handschuhe aus und strich mit der Hand über das rosagraue Maul. Dabei spürte er die Wärme von Invincibles Atem an seiner Hand. Dann nahm er langsam den Kopf des Pferdes von seinem Schoß, stand auf und griff mit seiner warmen Hand nach dem Schwert. Er sank in die rote Lache geschmolzenen Schnees ein, als er sich über das gestürzte Tier beugte.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Es tut mir so leid.«
Invincible betrachtete ihn ruhig, vertrauensvoll, als würde er irgendwie verstehen, was geschehen würde und dass es sein musste. Das war mehr, als Arthas ertragen konnte, und einen Augenblick lang ertrank die Welt erneut in Tränen. Er kämpfte darum, sie zu unterdrücken.
Arthas hob das Schwert und stieß damit zu.
Er machte es richtig, immerhin, wenigstens das konnte er. Er durchstieß Invincibles großes Herz mit einem einzigen Stoß, mit Armen, die dafür eigentlich zu ausgekühlt hätten sein müssen.
Er spürte, wie das Schwert Haut und Fleisch durchdrang, an den Knochen schabte und sich in den Boden darunter bohrte. Invincible krümmte sich einmal, dann erzitterte er und bewegte sich nicht mehr.
Jorum und Jarim fanden Arthas einige Zeit später, nachdem der Schneefall nachgelassen hatte, angeschmiegt an den auskühlenden Körper des einst herrlichen Tiers, das vor Leben und Kraft nur so gestrotzt hatte. Als der ältere Mann sich zu ihm herabbeugte, schrie Arthas vor Schmerz auf.
»Tut mir leid«, sagte Jorum, seine Stimme war fast unerträglich freundlich. »Weil ich Euch wehgetan habe und wegen des Unfalls.«
»Ja«, sagte Arthas schwach, »der Unfall. Er hat den Halt verloren.«
»Das ist kein Wunder bei diesem Wetter. Der Sturm kam sehr schnell. Ihr habt Glück, dass Ihr noch lebt. Kommt – wir bringen Euch nach drinnen und schicken jemanden zum Palast.«
Als er sich im festen Griff des Pferdezüchters befand, sagte Arthas: »Begrabt ihn... hier. Damit ich ihn besuchen kann.«
Balnir warf seinem Sohn einen Blick zu, dann nickte er. »Aye, natürlich. Er war ein edles Pferd.«
Arthas drehte sich um und betrachtete das tote Tier, das er Invincible getauft hatte. Er würde sie alle in dem Glauben lassen, dass es ein Unfall gewesen war, denn er konnte es nicht ertragen, jemandem die Wahrheit zu sagen.
Dann tat er einen Schwur. Sollte je jemand Schutz brauchen oder mussten je Opfer für das Wohl anderer gebracht werden, dann würde er dazu bereit sein.
Ganz egal, was es mich kosten wird,
dachte er.
KAPITEL FÜNF
Der Sommer stand in voller Blüte, und die Sonne brannte unbarmherzig auf seine königliche Hoheit Prinz Arthas Menethil herab, der durch Sturmwinds Straßen ritt. Er war schlechter Laune, obwohl er sein ganzes Leben auf diesen Tag gewartet hatte. In der Rüstung war es kaum auszuhalten vor Hitze und Arthas fürchtete, zu Tode geröstet zu werden, noch bevor er die Kathedrale erreichte. Auf seinem neuen Schlachtross musste er immerzu daran denken, dass sein Pferd – obwohl kraftvoll, gut ausgebildet und wohlerzogen – nicht Invincible war, der vor wenigen Monaten gestorben war und den er schmerzlich vermisste. In ihm war plötzlich eine gewaltige Leere und ihm wollte nicht einmal mehr einfallen, was er bei der Zeremonie zu tun hatte.
Neben ihm ritt sein Vater, dem die Irritation seines Sohnes offenbar entging. »Auf diesen Tag haben wir lange gewartet, mein Sohn«, sagte Terenas und blickte Arthas lächelnd an.
Trotz der Hitze und dem Gewicht des Helms war Arthas froh, ihn zu tragen. Er verbarg sein Gesicht und Arthas war sich nicht sicher, ob er jetzt ein Lächeln hätte vortäuschen können. »Das stimmt, Vater«, antwortete er und bemühte sich, seine Stimme ruhig klingen zu lassen.
Es war eine der größten Feiern, die Sturmwind je erlebt hatte. Außer Terenas waren viele andere Könige, Adelige und berühmte Personen gekommen. Sie ritten über die weißen Kopfsteinpflaster der Stadt zur riesigen Kathedrale des Lichts, die während des Ersten Krieges beschädigt worden war. Inzwischen hatte man sie aber wiedererrichtet und sie wirkte herrlicher als zuvor.
Arthas' Freund aus Kindertagen, Varian, der König von Sturmwind, war jetzt verheiratet und frischgebackener Vater. Er hatte allen zu Besuch gekommenen Königen und deren Gefolge seinen Palast geöffnet. Bei Varian zu sitzen, Honigwein zu trinken und zu reden, war für Arthas bislang der Höhepunkt der Reise gewesen. Der verletzte, traumatisierte
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