WoW 14 - Weltenbeben
er nur der Kehle eines Höllschreis entstammen konnte, unterbrach ihn. Cairne wirbelte herum und sah, wie Garrosh auf den Horizont wies. Er zitterte, doch es war offensichtlich, dass das aus Wut geschah, nicht aus Angst oder wegen der Kälte.
„Seht doch, dort!", rief er. Cairne blickte in die angegebene Richtung, doch erneut versagten seine alten Augen. Nicht so die von Kapitänin Tula. Ihre Augen weiteten sich.
„Die ham die Flagge von Sturmwind", sagte sie.
„Die Allianz? In unseren Gewässern?", fragte Garrosh. „Das ist eine eindeutige Verletzung unseres Vertrages."
Garrosh bezog sich auf ein Abkommen zwischen der Horde und der Allianz, das kurz nach dem Fall des Lichkönigs unterzeichnet worden war. Beide Seiten waren von dem langen Kampf ermattet und hatten deshalb einer zeitweisen Einstellung der Feindseligkeiten zugestimmt, wozu auch die Kämpfe im Alteractal, dem Arathibecken und der Kriegshymnenschlucht gehörten.
„Sind wir denn noch in Hordengewässern?", fragte Cairne ruhig. Tula nickte.
Garrosh grinste. „Dann dürfen wir sie nach ihrem und unserem Gesetz angreifen! Dem Vertrag nach können wir unser Gebiet verteidigen, und dazu gehören auch diese Gewässer!"
Cairne konnte nicht glauben, was er da hörte. „Garrosh, wir sind nicht in der Lage, einen Angriff zu unternehmen. Noch scheinen sie nicht an uns interessiert zu sein. Habt Ihr einmal über die Möglichkeit nachgedacht, dass der Sturm, der uns so gebeutelt hat, auch sie vom Kurs abgebracht haben könnte? Dass sie nicht hier sind, um mit uns zu kämpfen, sondern aus Versehen?"
„Dann haben die Winde des Schicksals sie hergeweht", sagte Garrosh. „Sie sollten sich ihrer Bestimmung ehrenvoll stellen."
Cairne verstand sofort, was hier vor sich ging. Garrosh hatte eine perfekte Ausrede für einen Angriff, und er wollte diese Gelegenheit ganz offensichtlich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Er konnte sich nicht an dem Sturm rächen, der die Schiffe der Horde beschädigt und viele seiner Leute das Leben gekostet hatte, doch er konnte seine Wut und Frustration auf das unglückliche Schiff der Allianz richten.
Zu Cairnes Ungemach nickte selbst Kapitänin Tula. „Wir brauch'n mehr Vorräte, um die Verluste zu ersetz'n", sagte sie, strich sich über ihr Kinn und verengte die Augen gedankenverloren zu Schlitzen.
„Dann lasst uns einfordern, was uns rechtmäßig zusteht. Kann die Mannoroths Gebeine in den Kampf ziehen?"
„Aye, klar kann sie, mit 'n bisschen mehr Vorbereitung."
„Ich bin mir sicher, dass Ihr viele Hände finden werdet, die Euch helfen", meinte Garrosh. Tula nickte und eilte davon, wobei sie nach links und rechts Befehle erteilte. Garrosh hatte recht. Jedermann sprang auf, verzweifelt bemüht, etwas zu tun, irgendetwas, statt nutzlos herumzusitzen und das Schicksal zu beklagen. Cairne verstand dieses Verlangen, doch wenn sein Verdacht zutraf und die Mannschaft des Allianzschiffes ein unschuldiges Opfer des Sturmes war ...
Das Flaggschiff wendete langsam, seine Segel blähten sich, und schon fuhren sie auf das „feindliche" Schiff zu. Cairne konnte es nun deutlich erkennen, und sein Mut sank.
Die Besatzung des Schiffes traf keinerlei Anstalten, um dem offensichtlichen Verfolger zu entkommen. Das hätte sie auch gar nicht gekonnt, selbst wenn der Kapitän es gewollt hätte, denn das Schiff krängte stark nach backbord. Seine Segel waren von dem teuflischen Wind zerfetzt worden, der so grausam mit der Flotte der Horde gespielt hatte, und offensichtlich drang Wasser in den Schiffsrumpf ein. Cairne konnte gerade noch das Wappen erkennen, das die Flaggen des Schiffs zierte: der Löwenkopf von Sturmwind.
Garrosh lachte. „Ausgezeichnet", sagte er. „Wahrlich ein Geschenk. Noch eine Gelegenheit, Varian zu zeigen, wie sehr ich ihn schätze."
Das letzte Mal, als Garrosh und König Varian Wrynn von Sturmwind sich im selben Raum aufgehalten hatten, waren sie in Streit geraten. Cairne brachte den Menschen keine besonderen Sympathien entgegen, doch er hasste sie auch nicht. Hätte dieses Schiff das seine angegriffen, hätte er unverzüglich den Befehl erteilt, es unter Feuer zu nehmen. Doch der Kahn war stark beschädigt, sank möglicherweise sogar, und selbst ohne ihre „Hilfe" würde er wahrscheinlich für immer im eisigen Wasser des Ozeans verschwinden.
„Rache ist kleinlich und unter Eurer Würde, Garrosh", zischte Cairne. „Welche Ehre liegt darin, jemanden zu töten, der bereits ertrinkt? Ihr verletzt das
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