Wozu wollen Sie das wissen?
schreiben. Sie sagt zwar immer, dass sie ihn nicht stören will, aber nachdem sie etwa fünf Minuten lang ostentativ geschwiegen hat, kann sie nicht anders und unterbricht ihn mit einer Frage nach seinem Leben oder mit Einzelheiten aus ihrem. Es stimmt, sie hat keine Mutter mehr und ist ein Einzelkind, außerdem ist sie noch nie zur Schule gegangen. Am häufigsten redet sie über ihre Haustiere – die toten und die in ihrem Haus in Edinburgh noch lebenden – und eine Frau namens Miss Anderson, die sie früher auf Reisen begleitete und sie unterrichtete. Sie scheint froh zu sein, diese Frau nicht mehr am Hals zu haben, und Miss Anderson war bestimmt auch froh fortzugehen, nach all den Streichen, die ihr gespielt worden sind – der lebende Frosch in ihrem Schnürstiefel und die wollene, aber lebensechte Maus in ihrem Bett. Auch Netties Anfälle, auf Büchern herumzutrampeln, die nicht ihr Gefallen fanden, oder sich plötzlich taubstumm zu stellen, wenn sie es leid war, ihre Buchstabierübungen zu machen.
Sie hat schon drei Reisen nach Amerika unternommen. Ihr Vater ist ein Weinhändler, dessen Geschäfte ihn nach Montreal führen.
Sie will alles darüber wissen, wie Walter und seine Verwandten leben. Ihre Fragen sind nach ländlichen Maßstäben ziemlich unverschämt. Aber Walter stößt sich nicht daran – in seiner Familie hat er nie eine Stellung eingenommen, die es ihm gestattete, Jüngere zu unterweisen oder zum Besten zu halten, und in gewisser Weise macht ihm das Spaß.
Es stimmt natürlich, dass in seiner Welt niemand ungestraft davongekommen wäre, wenn er es sich hätte einfallen lassen, so frech und vorlaut und neugierig zu sein wie diese Nettie. Was gibt es bei Walters Familie zum Abendbrot, wenn alle zu Hause sind, wie schlafen sie? Werden Tiere ins Haus gelassen? Haben die Schafe Namen, und wie lauten die Namen der Hütehunde, und kann man sie zu Haustieren machen? Warum nicht? Wie sitzen die Schüler in der Schulstube, und worauf schreiben sie, sind die Lehrer streng? Was bedeuten einige seiner Wörter, die sie nicht versteht, und reden alle Leute da, wo er herkommt, so wie er?
»Oh, ja«, sagt Walter. »Sogar Seine Majestät, der Herzog. Der Herzog von Buccleugh.«
Sie lacht und schlägt ihm ungeniert mit ihrer kleinen Faust auf die Schulter.
»Jetzt nimmst du mich auf den Arm, das weiß ich. Ich weiß, dass Herzöge nicht mit Eure Majestät angeredet werden. Auf keinen Fall.«
Eines Tages kommt sie mit Papier und Zeichenstiften. Sie sagt, sie hat das mitgebracht, um sich zu beschäftigen und ihm nicht lästig zu fallen. Sie sagt, sie wird ihm das Zeichnen beibringen, wenn er es lernen möchte. Aber seine Versuche bringen sie zum Lachen, und er stellt sich absichtlich immer dümmer an, bis sie so schallend lacht, dass sie einen ihrer Hustenanfälle bekommt. (Die beunruhigen ihn nicht mehr so sehr, denn er hat gesehen, dass es ihr immer gelingt, sie zu überleben.) Dann sagt er, dass sie ihm einiges hinten in sein Buch zeichnen soll, damit er etwas hat, das ihn an die Schiffsreise erinnert. Sie zeichnet die Segel über ihnen und ein Huhn, das aus seinem Käfig entkommen ist und versucht, wie ein Meeresvogel auf dem Wasser zu schwimmen. Sie zeichnet aus dem Gedächtnis ihren Hund, der nicht mehr lebt. Pirat. Anfangs behauptet sie, sein Name sei Walter gewesen, gibt aber später zu, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Und sie malt ein Bild von den Eisbergen, die sie gesehen hat, höher als Häuser, auf einer der früheren Reisen mit ihrem Vater. Die untergehende Sonne schien durch diese Eisberge, so dass sie aussahen – sagte sie – wie Burgen aus Gold. Goldene und rosenrote Burgen.
»Ich wünschte, ich hätte meinen Malkasten. Dann könnte ich’s dir zeigen. Aber ich weiß nicht, wo er verpackt ist. Und ich kann ohnehin nicht so gut malen, im Zeichnen bin ich besser.«
Alles, was sie gezeichnet hat, sogar die Eisberge, wirkt arglos und gleichzeitig spöttisch, ganz wie sie selbst.
»Neulich habe ich euch von jenem Will O’Phaup erzählt, der mein Großvater war, aber über den lassen sich noch ganz andere Dinge sagen. Ich habe euch nicht erzählt, dass er der letzte Mensch in Schottland war, der mit den Elfen gesprochen hat. Ganz gewiss habe ich das nie mehr von irgendjemandem sonst vernommen, weder zu seiner Zeit noch später.«
Walter kann nicht umhin, diese Geschichte mit anzuhören – die er natürlich schon oft gehört hat, wenn auch noch nie von seinem Vater. Er sitzt
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