Wozu wollen Sie das wissen?
das Zeichnen beibringen, wenn Sie mögen. Das würde Ihr Tagebuch bereichern.«
Falls Walter errötet, so wird es nicht bemerkt. Nettie bleibt völlig gelassen.
Und so sitzen sie unter freiem Himmel und zeichnen und schreiben. Oder sie liest ihm aus ihrem Lieblingsbuch vor, aus
Die schottischen Herrscher
. Er weiß schon viel von dem, was darin passiert – wer hat nicht von William Wallace gehört? –, aber sie liest flüssig und genau im richtigen Tempo, lässt einiges feierlich klingen, anderes Angst einflößend und wieder anderes komisch, so dass er von dem Buch ebenso gebannt ist wie sie selbst. Obwohl sie es, wie sie sagt, schon zwölfmal gelesen hat.
Er versteht jetzt ein wenig besser, warum sie ihm all diese Fragen stellt. Er und seine Familie erinnern sie an einige Gestalten in ihrem Buch. Solche, wie sie in den alten Zeiten draußen auf den Bergen lebten. Was würde sie wohl denken, wenn sie wüsste, dass der alte Mann, der alte Geschichtenerzähler, der auf dem ganzen Schiff herumtönt und die Leute zum Zuhören zusammentreibt, als seien sie Schafe und er der Hütehund – wenn sie wüsste, dass er Walters Vater ist?
Sie wäre wahrscheinlich entzückt und neugieriger auf seine Familie denn je. Sie würde nicht auf sie herabsehen, außer in einer Weise, gegen die sie nicht ankommt oder von der sie nichts weiß.
Wir gelangten am 14 . Juli zu den Fischbänken von Neufundland, und am 19 . sahen wir Land, und es war für uns ein freudiger Anblick. Es war ein Teil von Neufundland. Wir segelten zwischen Neufundland und der St. Paul-Insel hindurch, und da wir am 18 . und auch am 19 . günstigen Wind hatten, kamen wir am Morgen des 20 . in den Fluss und in Sicht des Festlandes von Nordamerika. Wir wurden gegen ein Uhr morgens geweckt, und ich glaube, spätestens um vier Uhr war jeder Passagier vom Bett aufgestanden und betrachtete das Land, das ganz mit Wald bedeckt ist und uns einen völlig neuen Anblick bot. Es ist ein Teil von Nova Scotia und schönes, bergiges Land. Außerdem sichteten wir am heutigen Tag mehrere Wale. Geschöpfe, wie ich sie noch nie im Leben sah.
Dies ist ein Tag der Wunder. Das Land ist mit Bäumen bedeckt wie ein Kopf mit Haaren, und hinter dem Schiff geht die Sonne auf und taucht die Baumwipfel in Licht. Der Himmel ist klar und blank wie ein Porzellanteller, und das Wasser vom Wind nur spielerisch gekräuselt. Jeder Nebelfetzen hat sich aufgelöst, und die Luft ist erfüllt vom harzigen Geruch der Bäume. Seevögel leuchten golden über den Segeln auf wie Geschöpfe des Himmels, aber die Matrosen feuern ein paar Schüsse ab, um sie von der Takelage fernzuhalten.
Mary hebt den kleinen James hoch, damit er nie diesen ersten Anblick des Kontinents vergisst, der von nun an seine Heimat sein wird. Sie nennt ihm den Namen dieses Landes – Nova Scotia.
»Das bedeutet Neuschottland«, sagt sie.
Agnes hört sie. »Und warum heißt es dann nicht so?«
Mary antwortet: »Das ist, glaube ich, Latein.«
Agnes stöhnt vor Ungeduld. Das Wickelkind ist von all dem Tumult und Jubel früh geweckt worden, und jetzt ist es quengelig, will andauernd die Brust und schreit, sobald Agnes versucht, sie ihm wegzunehmen. Der kleine James hat das genau beobachtet und unternimmt einen Versuch, an die andere Brust zu gelangen, doch Agnes schlägt so heftig nach ihm, dass er taumelt.
»Nuckelkrott«, schimpft Agnes ihn. Er greint ein bisschen, dann krabbelt er hinter sie und kneift die Zehen des Säuglings.
»Du bist ein faules Ei«, sagt seine Mutter. »Jemand hat dich so lange verwöhnt, bis du glaubst, du bist die Nasenspitze des Grundherrn.«
Wenn Agnes so wettert, hat Mary immer das Gefühl, sie wird sich gleich selbst eine Ohrfeige einfangen.
Der alte James sitzt mit ihnen an Deck, kümmert sich aber nicht um diese häuslichen Querelen.
»Willst du nicht kommen und einen Blick auf das Land werfen, Vater?«, fragt Mary unsicher. »An der Reling hast du bessere Sicht.«
»Ich sehe es gut genug«, sagt der alte James. Nichts in seiner Stimme deutet darauf hin, dass ihm all das Neue um ihn herum gefällt.
»Ettrick war in alter Zeit auch mit Bäumen bedeckt«, sagt er. »Die Mönche waren als Erste dort, und danach war es königlicher Besitz. Es war der Wald des Königs. Buchen, Eichen, Ebereschen.«
»So viele Bäume wie hier?«, fragt Mary, mit ungewohntem Mut angesichts der Herrlichkeiten des Tages.
»Bessere Bäume. Ältere. Er war berühmt in ganz Schottland. Der Königswald von
Weitere Kostenlose Bücher