Wozu wollen Sie das wissen?
wahrscheinlich verachtete, für das, was sie sich hatte gefallen lassen und was aus ihr geworden war. Man musste einige Beherztheit zeigen, um vor Dahlia zu bestehen. Mir war es lieber, wenn sie nicht erfuhr, dass ich vor den gehörnten Kühen Angst hatte.
Wir müssen uns verabschiedet haben, als sie den Weg zurück in die Stadt nahm, zu Glorias Haus, und ich in unsere Sackgassenstraße bog. Aber vielleicht ging sie auch einfach weiter und ließ mich zurück. Ich grübelte, ob sie wirklich ihren Vater umbringen würde. Ich hatte die merkwürdige Vorstellung, dass sie zu jung war, um das zu tun – als sei das Töten eines Menschen wie Autofahren oder Wählen oder Heiraten, für das man ein gewisses Alter erreicht haben musste. Ich hatte auch die Vorstellung – obwohl ich sie nicht auszudrücken gewusst hätte –, dass es ihr keine Erleichterung bringen würde, ihn zu töten, da es ihr so zur Gewohnheit geworden war, ihn zu hassen. Ich verstand, dass sie mich nicht mitgenommen hatte, um sich mir anzuvertrauen oder weil ich so etwas wie eine enge Freundin wäre – sie wollte nur, dass jemand sah, wie sehr sie ihn hasste.
An unserer Straße standen früher ungefähr ein Dutzend Häuser. Die meisten waren billige kleine Mietshäuser – bis man zu unserem Haus gelangte, das eher ein gewöhnliches Farmhaus auf einer kleinen Farm war. Einige der Häuser standen nicht höher, als der Hochwasserpegel des Flusses reichte, aber ein paar Jahre zuvor, während der Weltwirtschaftskrise, waren sie alle bewohnt gewesen. Dann hatten die durch den Krieg entstandenen Arbeitsplätze diese Familien fortgeführt. Einige dieser Häuser waren wegtransportiert worden, um irgendwo als Garagen oder Hühnerställe zu dienen. Zwei standen leer, und der Rest wurde hauptsächlich von alten Leuten bewohnt – dem alten Junggesellen, der jeden Tag in die Stadt zu seiner Schmiede lief, dem alten Ehepaar, das früher ein Lebensmittelgeschäft hatte und in dessen Fenster immer noch ein Schild frisch gepressten Orangensaft anpries, sowie einem Ehepaar, das schwarzbrannte und sein Geld, so hieß es, in Litermessbechern im Garten vergrub. Ferner von drei alten, alleinstehenden Frauen. Mrs Carrie. Mrs Horne. Bessie Stewart.
Mrs Carrie züchtete Hunde, die den ganzen Tag lang wie rasend bellten und in einem Drahtpferch herumrannten und nachts ins Haus gelassen wurden, das teilweise in einen Hügel hineingebaut war und sehr dunkel und voller Gestank gewesen sein muss. Mrs Horne züchtete Blumen, und ihr Häuschen und ihr Gärtchen waren im Sommer wie ein buntes Sticktuch – Klematisranken, Roseneibisch, alle Sorten von Rosen und Phlox und Rittersporn. Bessie Stewart kleidete sich fein und ging nachmittags in die Stadt, um im Restaurant Paragon Kaffee zu trinken und Zigaretten zu rauchen. Obwohl sie unverheiratet war, hieß es, sie habe einen Freund.
Ein leer stehendes Haus war von einer Mrs Eddy bewohnt worden, der es auch immer noch gehörte. Für kurze Zeit, vor vielen Jahren – nämlich vier oder fünf Jahre, bevor ich Dahlia begegnete, also vor langer Zeit in meinem Leben – bewohnten Leute namens Wainwright dieses Haus. Sie waren mit Mrs Eddy verwandt, die sie dort wohnen ließ, aber nicht bei ihnen lebte. Sie war schon fortgebracht worden, wohin auch immer. Es nannte sich Pflege.
Mr und Mrs Wainwright kamen aus Chicago, wo sie beide in einem Kaufhaus als Schaufensterdekorateure gearbeitet hatten. Das Kaufhaus hatte zugemacht oder beschlossen, dass nicht mehr so viele Schaufenster dekoriert werden mussten – wie auch immer, sie hatten ihre Stellungen verloren und waren hergekommen, um in Mrs Eddys Haus zu wohnen und es mit einem Tapeziergeschäft zu versuchen.
Sie hatten eine Tochter, Frances, die ein Jahr jünger war als ich. Sie war klein und dünn und geriet leicht außer Atem, denn sie hatte Asthma. An meinem ersten Tag in der fünften Klasse kam Mrs Wainwright aus dem Haus und hielt mich auf der Straße an, während Frances hinter ihr her zottelte. Sie fragte mich, ob ich Frances zur Schule bringen und ihr den Raum für die vierte Klasse zeigen könne, da sie noch niemanden kannte und nicht wusste, wo alles war.
Mrs Wainwright unterhielt sich mit mir mitten auf der Straße in einem seidigen, hellblauen Morgenrock, Frances war herausgeputzt in einem sehr kurzen, karierten Baumwollkleid mit einem Volant rings am Rock und einem passenden karierten Haarband.
Bald galt als abgemacht, dass ich mit Frances zur Schule und
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