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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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festlicher Fröhlichkeit rief sie aus: »Das Ofenrohr brennt«, und herein kam Mr Wainwright, der sich schließlich doch noch in die Küche zurückgezogen hatte, dicht gefolgt von Mrs Wainwright.
    Mrs Wainwright sagte: »O mein Gott, Billy. Was sollen wir bloß machen?«
    Mr Wainwright sagte: »Die Drosselklappe schließen, nehme ich an.« Seine Stimme kickste, klang ängstlich und unväterlich.
    Er tat es, dann schrie er auf und schüttelte seine Hand aus, die er sich verbrannt haben musste. Jetzt standen beide da, betrachteten das rote Ofenrohr, und sie sagte mit zittriger Stimme: »Man soll irgendwas drauftun. Was denn bloß? –
Natron
.« Sie rannte in die Küche und kam mit Tränen in den Augen und einer Schachtel Natron zurück. »Direkt auf die Flammen!«, schrie sie. Mr Wainwright rieb sich noch die Hand an der Hose, also wickelte sie ihre Schürze um ihre eigene Hand und nahm den Herdplattenheber, um das Pulver auf die Flammen zu streuen. Es gab ein spuckendes Geräusch, als sie zu erlöschen begannen, und Rauch drang ins Zimmer.
    »Mädchen«, sagte Mrs Wainwright. »Mädchen. Ihr lauft vielleicht besser ins Freie.« Sie weinte jetzt wirklich.
    Von einer ähnlichen Krise zu Hause fiel mir etwas ein.
    »Sie könnten nasse Handtücher um das Rohr wickeln«, sagte ich.
    »Nasse Handtücher«, sagte sie. »Das klingt wie eine gute Idee. Ja.«
    Sie rannte in die Küche, wo ich sie Wasser pumpen hörte. Mr Wainwright ging ihr nach, wobei er seine verbrannte Hand vor sich schüttelte, und beide kamen mit tropfenden Handtüchern wieder. Die Handtücher wurden um das Rohr gewickelt, und sobald sie sich erhitzten und trockneten, wurden sie durch andere ersetzt. Das Zimmer füllte sich mehr und mehr mit Rauch. Frances fing an zu husten.
    »Frische Luft«, sagte Mr Wainwright. Er brauchte eine Weile, um mit seiner gesunden Hand die unbenutzte Vordertür aufzureißen. Fetzen von altem Zeitungspapier und vermoderten Lumpen, mit denen die Ritzen verstopft gewesen waren, flogen umher. Draußen herrschte Schneetreiben, eine weiße Woge schwappte ins Zimmer.
    »Schnee aufs Feuer schmeißen«, sagte Frances zwischen Hustern und klang immer noch freudig erregt, und wir rafften beide Schnee zusammen und warfen ihn auf den Ofen. Einiger davon traf das, was von dem Feuer übrig war, einiger fiel daneben und schmolz und lief in die Pfützen, die die Handtücher schon auf dem Fußboden hinterlassen hatten. Zuhause hätte ich solch eine Schweinerei nie veranstalten dürfen.
    Inmitten dieser Pfützen standen, als die Gefahr vorüber war und das Zimmer eiskalt wurde, Mr und Mrs Wainwright, hatten die Arme umeinander gelegt, lachten und trösteten sich gegenseitig.
    »Ach, deine arme Hand«, sagte Mrs Wainwright. »Und ich habe überhaupt kein Mitleid gezeigt. Ich hatte solche Angst, dass das Haus abbrennt.« Sie versuchte, die Hand zu küssen, und er sagte: »Autsch, autsch.« Auch er hatte Tränen in den Augen, vom Rauch oder vom Schmerz.
    Sie tätschelte seine Arme und seine Schultern, seinen Rücken bis hinunter zum Po und sagte: »Armer, armer Schatz« und solche Sachen, während er eine Schnute zog und sie mit mächtigem Schmatz auf den Mund küsste. Dann kniff er sie mit seiner gesunden Hand in den Hintern.
    Es sah so aus, als könnten diese Zärtlichkeiten noch eine ganze Weile weitergehen.
    »Tür zu, es wird kalt«, rief Frances, ganz rot vom Husten und der fröhlichen Aufregung. Falls sie ihre Eltern dazu aufforderte, so schenkten sie ihr keinerlei Beachtung, sondern setzten ihr empörendes Verhalten fort, das Frances offenbar nicht in Verlegenheit brachte und nicht einmal ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie und ich packten die Tür und drückten sie zu gegen den peitschenden Wind, der immer mehr Schnee ins Haus wehte.
     
    Zu Hause erzählte ich nichts davon, obwohl das Essen und der Weihnachtsbaumschmuck und das Feuer so interessant waren. Doch da waren die anderen Dinge, die ich nicht beschreiben konnte und die mir ein Unbehagen, eine leichte Übelkeit verursachten, sodass ich über nichts davon reden mochte. Die Art, wie die zwei Erwachsenen sich in den Dienst von zwei Kindern gestellt hatten. Das Theater von Mr Wainwright als Kellner, seine dicken, seifenweißen Hände und sein blasses Gesicht mit den Flügelchen aus feinen, glänzenden hellbraunen Haaren. Die Beharrlichkeit – und zu große Nähe – seiner weichen Schritte in dicken, karierten Pantoffeln. Dann das Gelächter, so unpassend für Erwachsene, gleich

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