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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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dahinflogen und den Staub aufwirbelten.
    Auf einer der Pferdekoppeln, gleich neben der Straße, standen drei Apfelbäume, die Überbleibsel eines alten Obstgartens. Zwei davon waren klein und krumm, doch einer war recht groß, wie ein fast ausgewachsener Ahorn. Sie wurden nie beschnitten oder gespritzt, und die Äpfel waren schorfig, nicht wert, gestohlen zu werden, aber in den meisten Jahren blühten sie prächtig, saßen über und über voller Blüten, sodass die Zweige von Ferne aussahen, als seien sie mit Schnee überhäuft.
     
    Ich hatte ein Fahrrad geerbt, oder wenigstens konnte ich eins benutzen, das von dem Mann, der stundenweise bei uns ausgeholfen hatte, zurückgelassen worden war, als er wegging, um in einer Flugzeugfabrik zu arbeiten. Es war natürlich ein Herrenrad, mit hohem Sattel und relativ leicht, von seltsam aussehender Bauart, die es schon lange nicht mehr gibt.
    »Du willst doch damit nicht etwa zur Schule fahren?«, sagte meine Schwester, als ich zur Übung unsere Straße hinauf- und hinunterradelte. Meine Schwester war jünger als ich, aber manchmal stand sie meinetwegen Ängste aus, vielleicht, weil sie früher als ich erkannte, womit ich mich blamieren konnte. Sie dachte nicht nur an das Aussehen des Fahrrads, sondern auch an die Tatsache, dass ich dreizehn und in meinem ersten Jahr auf der Highschool war und dass dies, zumindest für Mädchen, die mit dem Fahrrad zur Schule kamen, ein Schicksalsjahr war. Alle Mädchen, die ihre Weiblichkeit kundtun wollten, mussten ihre Fahrräder zu Hause lassen. Mädchen, die weiterhin das Fahrrad benutzten, wohnten entweder zu weit draußen auf dem Lande, um zu laufen – und hatten Eltern, die es sich nicht leisten konnten, sie in einer Pension in der Stadt unterzubringen, oder waren einfach überspannt und unfähig, sich an bestimmte ungeschriebene, aber weitreichende Regeln zu halten. Wir wohnten gleich außerhalb der Stadtgrenze, wenn ich also mit dem Fahrrad kam – und besonders mit diesem Fahrrad –, dann geriet ich automatisch in die letzte Kategorie. Mädchen, die geschnürte Halbschuhe und Florstrümpfe trugen und sich die Haare aufrollten.
    »Nein, nicht zur Schule«, sagte ich. Aber ich setzte mich doch auf das Fahrrad und fuhr damit an Sonntagnachmittagen auf Feldwegen hinaus ins Land. Dort bestand kaum Aussicht, jemandem zu begegnen, den ich kannte, und manchmal begegnete ich überhaupt niemandem.
    Ich tat das gerne, weil ich insgeheim für die Natur schwärmte. Dieses Gefühl kam anfangs aus Büchern. Es kam aus den Mädchengeschichten der Schriftstellerin L. M. Montgomery, die oft einige Sätze einfügte mit Beschreibungen von einem verschneiten Feld im Mondlicht oder einem Nadelwald oder einem stillen Teich, der den Abendhimmel spiegelte. Dann hatte es sich mit einer anderen geheimen Leidenschaft von mir vermischt, nämlich der für Gedichtzeilen. Ich durchstöberte meine Schulbücher danach, um sie zu entdecken, bevor sie in der Klasse gelesen und verachtet wurden.
    Diese Vorlieben zu Hause oder in der Schule zu verraten hätte mich in einen Zustand dauernder Verletzlichkeit versetzt. In dem ich mich für mein Gefühl bereits bis zu einem gewissen Grade befand. Jemand brauchte nur in einem bestimmten Tonfall
ja, du schon
oder
das sieht dir ähnlich
zu sagen, und ich spürte den Hohn, den Tadel, die gezogenen Grenzen. Aber jetzt, wo ich das Fahrrad hatte, konnte ich an Sonntagnachmittagen in jene Gebiete fahren, die auf meine Huldigungen zu warten schienen. Hier waren die Wasserflächen aus den übervollen Bächen, die über das Land blitzten, und hier waren die Böschungen mit Waldlilien unter den rot knospenden Bäumen. Und die Wucherkirschen, die Strauchkirschen in den Zaunrainen, die zarte Blüten trugen, bevor sie sich belaubten.
    Die Kirschbäume ließen mich an die Bäume auf Miriam McAlpins Weide denken. Ich wollte sie betrachten, wenn sie in Blüte standen. Und sie nicht nur betrachten, was man auch von der Straße aus tun konnte, sondern unter diese Zweige gelangen, mich auf den Rücken legen und den Kopf an den Stamm lehnen, um zu sehen, wie er sich erhob, als wüchse er aus meinem eigenen Schädel, sich erhob und in einem auf dem Kopf stehenden Blütenmeer verlor. Auch um zu sehen, ob kleine Stückchen vom Himmel durchschienen, sodass ich die Augen zusammenkneifen konnte, um sie vom Hintergrund zum Vordergrund zu machen, hellblaue Schnipsel in diesem schaumigen weißen Meer. Diese Vorstellung hatte eine Förmlichkeit an

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