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Augen.
„Vielleicht suchen wir etwas in
der Ferne, was ganz in der Nähe ist“, sagte ich. „Mir scheint, Sie wollen nur
herauskriegen, weshalb er Sie fallenläßt.“
Sie lächelte:
„Sie fangen schlecht an. Mit
einem Irrtum. Wenn ich Ihre beruflichen Fähigkeiten danach beurteilen würde,
würde ich Ihnen auf der Stelle meinen Auftrag entziehen. Er läßt mich nicht
fallen, er wird mich niemals fallenlassen. Er findet keinen besseren Manager
als mich.“
„Ich rede nicht von der
Agentur“, sagte ich. „Entschuldigen Sie bitte meine schonungslose Offenheit.
Ich rede nicht von der Agentur, sondern vom Schlafzimmer.“
Sie zog ihre Hand zurück und
fing an zu lachen.
„Wieder ein Irrtum. Ich habe
nicht mit ihm geschlafen. Ich hatte wohl Lust dazu, aber ich hab’s nicht
gemacht. Das hätte dem Geschäft geschadet...“
Sie wurde wieder ernst.
„Apropos Bett. Das ganze
Durcheinander kann von seiner jetzigen Freundin kommen. Kümmern Sie sich auch
um die. Sie heißt Thérèse. Wenn Sie überhaupt volljährig ist, dann erst seit
kurzem. Sie leben mehr oder weniger zusammen.“
„Und sie hat genauso
rückständige Eltern wie die Kleine von Linder?“
„Vielleicht.“
„Großartig. Ich werde mich ins
Getümmel stürzen und Sie auf dem laufenden halten.“
„Schreiben Sie sich meine
Privatnummer auf, ja? Magenta 14-27. Die Agentur hat Magenta 13-18.“
Ich notierte.
„Ist 14-27 auch in diesem
Gebäude?“
„Auch in der Rue de Paradis,
aber etwas weiter oben.“
„Na gut... Auf Wiedersehen,
Mado.“
„Auf Wiedersehen, Nestor. Ich
zähle auf Sie... Nestor... Nestor...“
Sie ließ wieder dieses seltsame
Schnalzen hören.
„...Ich glaube, Sie haben
recht“, lächelte sie. „Nestor kann man schlecht sagen.“
„Ich habe Sie gewarnt. Geben
Sie’s auf. Ich werde mir einen Künstlernamen zulegen, solange wir miteinander
zu tun haben. Das paßt ins Milieu.“
„Ich empfehle Ihnen etwas Großkotziges.“
„Nicolss zum Beispiel.
Vielleicht nennt sich schon jemand so, aber das ist schön extravagant...“
Sie verzog das Gesicht.
„Ich kenne keinen Nicolss. Und
offen gesagt, das ist kein besonders hübscher Name.“
„Tja, hm...“
Ich zwinkerte ihr vertraulich
zu.
„Ich werd Sie noch dazu
bringen, mich ,Chéri’ zu nennen.“
Sie lachte laut auf:
„Was? So Knall auf Fall! Lassen
Sie mir wenigstens Zeit zum Verschnaufen... es hängt alles vom Erfolg Ihrer
Arbeit ab.“
Nach diesen schönen Worten
verabschiedete ich mich. Mademoiselle Hélène, die geschmacklose Angestellte,
warf mir wieder einen Blick zu, so zärtlich wie ‘ne Drahtbürste. Wie vorhin
vergewisserte sie sich, ob Nase und Kleidung bei mir in Ordnung waren.
Hélènes
Bericht
Nestor Burma hielt den Wagen am
Boulevard de Strasbourg, kurz hinter dem Théâtre Antoine. Lächelnd sagte er zu
mir:
„Sie können hier aussteigen,
meine Liebe. Ich muß Sie ja nicht bis vor die Tür fahren. Die Passage du Désir
ist nur ein paar Schritte weiter. Viel Glück und Weidmannsheil!“
Hinterhältig verstellte er den
Rückspiegel, aber sein Trick nützte ihm nichts. Wenn ich will, kann ich sehr
gut aussteigen, wie es sich gehört, auch in einem engen Rock. Enttäuscht nannte
er mich einen Egoisten. Ich streckte ihm die Zunge raus. Er fuhr an, winkte mir
zum Abschied zu und verlor sich dann im dichten Verkehr, Richtung Gare de
l’Est.
Also los! Hélène, mein Engel,
sieh mal zu! Ich werde im Kino auf das Ergebnis deiner geheimen Mission warten,
oder in einem Café. Oder soll ich den Mädchen hinterherlaufen? Wir werden
sehen. Also: Los!
An jenem Samstagnachmittag
machte die Agentur Fiat Lux Überstunden, vertreten durch meine Wenigkeit. Ich
hoffte nur, es würde nicht zu anstrengend werden. Offen gesagt, meine
Begeisterung hielt sich in Grenzen. Mich mehrere Stunden unter eine Schar
dummer Gänse jeden Alters zu mischen, um, naiv wie sie, einen Sänger zu
bewundern, den ich am Abend zuvor im Palais de Cristal genossen hatte, wohin
mich mein Chef, der Detektiv, geschleppt hatte! Welch ein Talent! Welch ein Mann!
Und jetzt sollte ich ihn aus nächster Nähe sehen! Andere hätten sich vor Freude
kaum lassen können, aber ich... Nicht daß Gil Andréa schlecht aussah. Genau
besehen sah er sogar sehr gut aus. Er war nur nicht mein Typ. Und wenn jemand
nicht der Typ einer Frau ist, kann man nichts machen. Ich jedenfalls hatte
unter der geschickten Bühnenbeleuchtung nur einen sehr blasierten Menschen
gesehen, der sich wie
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