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Sender nur Chansons und Chansonnettes. Ich schaltete den Apparat wieder
aus und stand auf. Nachdem ich mich von meinem Scheichkostüm befreit hatte,
ging ich unter die Dusche. Danach fühlte ich mich immer noch nicht besser.
Fühlte mich überhaupt nicht gut. Ich kochte Kaffee, schüttete mir zwei Tassen
rein, nahm wieder Aspirin und legte mich ins Bett, diesmal im Schlafanzug. Dann
stand ich wieder auf und untersuchte meine Brieftasche. Sie hatten mir mein
Geld geklaut, mein ganzes Geld, nichts als mein Geld. Ein Glück, daß ich kein
Vermögen mit mir rumgeschleppt hatte. Vielleicht war das nur ein ganz
gewöhnlicher Überfall gewesen. Eine richtige Seuche, diese nächtlichen
Überfälle. Ich steckte die Brieftasche wieder weg, nahm das Telefon und machte
mir’s in den Kissen bequem. Magenta 14-27, die Privatnummer von Madame
Madeleine Souldre, Mado für alle Welt. Es läutete dreimal, dann meldete sich
eine unpersönliche Stimme, gewollt unpersönlich, vorsichtig:
„Hallo!“
„Hallo! Madame Souldre, bitte.“
„Wer ist am Apparat?“
„Nestor Burma.“
Jetzt klang die Stimme wieder
wie gewohnt, herzlich, sanft, zärtlich:
„Oh! Guten Tag, mein Lieber.“
„Guten Tag, Mado.“
„Entschuldigen Sie meine
Vorsicht. Aber ich rechne immer damit, belästigt zu werden. Eine Pest ist das.
Hab Ihre Stimme nicht gleich erkannt. Sie klingt so seltsam.“
„Wohl eine Grippe.“
„Hoffentlich nichts Ernstes.
Nett von Ihnen, mich anzurufen.“
Die Stimme wurde noch
herzlicher, sanfter, zärtlicher. So mußte sie sich im Bett anhören.
„Freut mich, daß Sie das sagen,
Mado. Ich fürchtete, Sie zu stören. Sie hätten noch im Bett liegen können...“
„Ich liege noch im Bett, aber
Sie stören mich trotzdem nicht.“
„Noch im Bett? Dacht’ ich’s mir
doch. Herrlich. Rue de Paradis, wirklich, Mado! Ich lieg auch noch im Bett.
Wegen dieser Grippe. Meinen Sie, wir können uns weiter unterhalten, so von Bett
zu Bett? Finden Sie die Situation nicht zu pikant?“
Sie stieß ein herausforderndes
Lachen aus, das wie Musik in meinem schmerzenden Ohr klang und überall in
meinem armen Schädel widerhallte, der sozusagen auf der Nase lag. „Hören Sie
auf, mein Lieber. Werden Sie ernst.“
„Sie sind’s doch auch nicht,
Mado.“
„Oh, oh! So streng! Was wollen
Sie damit sagen?“
„Wenn man einen Privatdetektiv
engagiert, darf man ihm nicht dies und das verschweigen. Entweder man erzählt
ihm alles oder nichts.“
„Was soll ich Ihnen
verschwiegen haben?“
„Daß ein Mädchen von achtzehn
Jahren, Janine Dolmet, sich wegen der schönen Augen Ihres Stars umgebracht hat
— nehmen wir mal an, daß er schöne Augen hat. Sie sehen, mit Ihrer Heimlichtuerei
kommen Sie nicht weit. Ich hab’s trotzdem erfahren.“
„Was beweist, daß Sie ein
fähiger Detektiv sind. Ich kann mich beglückwünschen. Wußte nicht, daß der
Selbstmord dieses Mädchens wichtig ist. Das ist schon so lange her!“
„Lange her?“
„Na ja, schließlich war das vor
mehr als einem Monat. Und Gil ist erst seit... warten Sie... seit Donnerstag
oder Freitag letzter Woche so nervös. Donnerstag, genau gesagt. Nachmittags hat
er an einer Galavorstellung mitgewirkt. Da war noch alles in Ordnung. Erst abends
ging’s los, im Palais de Cristal. Donnerstag, also vor elf Tagen. Er...“
Ich unterbrach sie:
„Moment mal. Am 6. also?“
„Ja, kann sein. Jedenfalls vor
elf Tagen. Da war das Mädchen schon ungefähr drei Wochen tot. Deswegen hab ich keinen
Zusammenhang gesehen. Gibt es einen?“
Ich stellte eine Gegenfrage:
„Könnte Ihr Star nicht Schuldgefühle haben? Wenn auch mit Verspätung?
Entschuldigen Sie, vielleicht bin ich immer noch nicht ernsthaft genug.“
„Nein, immer noch nicht.
Schuldgefühle? Gil? Daß ich nicht lache.“
„Lachen Sie nur! Auf jeden Fall
möchte ich, daß Sie mich darüber informieren, ob sich noch andere das Leben
genommen haben.“
„Andere? Wir sind doch nicht
auf einem Friedhof.“
„Weiß ich nicht. Ich frag nur.“
„Unsinn!“ brüllte sie, zum
großen Leidwesen meines mimosenhaften Kopfes. „Nein, andere nicht. Eine reicht.
Und bei der... Ist Gil wirklich schuld an ihrem Tod? Sie war seine Geliebte.
Gut. Er hat sie verlassen. Gut. Sie hat sich umgebracht...“
„Gut.“
„Das haben Sie gesagt.“
„Man kann doch nicht immer
weinen.“
„Jedenfalls darf man nicht
immer alles Gil in die Schuhe schieben. Vielleicht hat sie sich gar nicht aus
Liebeskummer
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