Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
ihr Schlafzimmer zurück und wartete auf den wöchentlichen Besuch ihres Untermieters Santiago Suárez, sechsunddreißig Jahre alt, der für Avis den Pendelbus am Flughafen von Los Angeles fuhr und irgendwo in Mexiko eine Frau und drei Kinder hatte. Suárez versuchte, soviel Geld auf die Seite zu legen, daß er seine Familie nach Norden nachholen konnte. Betty Mae hatte anfangs monatlich 87,50 Dollar für sein Zimmer genommen, war aber, nachdem sie zum ersten Mal mit ihm geschlafen hatte, auf 75 Dollar heruntergegangen und hatte ihm schließlich angeboten, die Miete um noch mal zehn Dollar zu kürzen, wenn er sich bereit fände, im Bett ein paar eher wunderliche Dinge mit ihr zu treiben, wozu Santiago Suárez sich willig und munter bereitgefunden hatte.
An diesem Samstagmorgen war Betty Mae beim Anziehen leicht beunruhigt wegen des Wagens, der auf der anderen Straßenseite parkte. Immer wieder lief sie zum Fenster, um ihn zu begutachten. Es handelte sich um einen viertürigen schwarzen Plymouth Fury Sedan. Einmal sah Betty Mae, wie der kleine Sandy Choi geduckt ans Heck schlich und in den Staub auf dem Kofferraum »Bulle« schrieb und dann prustend davonrannte.
Daß es ein Polizeifahrzeug war, hatte sie gleich gewußt, als sie es vor einer Stunde entdeckt hatte. Nur wußte sie nicht, ob es zur Polizei von Pelican Bay oder Los Angeles gehörte. Um den Punkt zu klären, setzte sie sich schließlich die Brille auf und inspizierte die beiden gründlicher, die sich auf der vorderen Bank räkelten und die mürrisch gelangweilte Haltung von Männern zur Schau stellten, die dafür bezahlt werden, daß sie warten und aufpassen.
Sie schienen in den Vierzigern, und weil der eine so ausgesprochen sauer dreinblickte, entschied Betty Mae, daß sie zur Polizei von Pelican Bay gehörten. Vielleicht von der Sitte, dachte sie. Die sehen immer so gemein aus.
Betty Mae, inzwischen halb angezogen, ging wieder ans Fenster, um festzustellen, welches Haus die beiden beobachteten. Vielleicht meins? schoß es ihr durch den Kopf, und da die Vorstellung ihr einen kleinen wonnevollen Schauer einjagte, blieb sie noch ein bißchen dabei. Vielleicht hat Santiago während der Arbeit irgendwen umgebracht, und sie warten jetzt auf ihn. Sie verwarf den Gedanken auf der Stelle, weil sie wußte, daß Santiago, außer im Bett, eines der sanftesten Geschöpfe Gottes war.
Nach einem letzten Blick aus dem Fenster zog Betty Mae sich fertig an. Sie trug einen sittichgrünen Polyester-Hosenanzug mit knapp sitzender Nylonbluse. Ihre Füße steckten in alten bequemen Huaraches, die sie irgendwann mal unten in Mexicali erstanden hatte.
Betty Mae prüfte noch mal, ob ihre Haustür auch fest verschlossen war, ging dann gemächlich zum Bürgersteig und wandte sich nach rechts. Das war zwar die falsche Richtung, aber sie wollte sich die Polizisten näher ansehen. Als sie auf ihrer Straßenseite den Polizeiwagen passierte, sah sie, daß der Fahrer der jüngere von beiden war – vielleicht vierzig. Der andere mochte neunundvierzig, fünfzig sein.
Sie spürte die abschätzenden Blicke der beiden und erschauerte ein bißchen, weil sie sich vorzustellen versuchte, wie der ältere wohl im Bett wäre. Er war breitschultrig, mit viel Schädel und wenig Hals. Er hatte dichtes Haar von schmutziggrauer Farbe, das er an den Seiten lang trug, offenbar um seine Henkelohren zu kaschieren. Nichts in seinem Gesicht schien zueinander zu passen. Es gab zuviel Kinn und Nase und zuwenig Mund, und das Wenige sah sauer und enttäuscht aus. Er hatte kleine Schlitzaugen, die so tief im Kopf steckten, daß von ihnen außer dem Glitzern kaum etwas zu sehen war. Es war ein faltenüberzogenes, brutales Gesicht, und Betty Mae erschauerte wieder, weil sie Samstagabends nichts gegen ein bißchen Brutalität hatte.
Der andere im Wagen, der Fahrer, lohnte keinen zweiten Blick, fand Betty Mae. Er war groß und blond und stupsnasig, hatte blaue Augen und einen dieser nach oben gezogenen Münder, die für Betty Mae aus unerfindlichen Gründen wie Lügenmäuler aussahen.
Sie überquerte hinter dem Wagen die Breadstone Avenue zur Los-Angeles-Seite und glaubte wieder, die Blicke der Polizisten auf sich zu spüren, während sie in den rissigen Betonweg einbog, der zu Madame Szabos einstöckigem Holzhaus führte. Eine holzverkleidete Veranda war der Hausfront und der rechten Hausseite vorgebaut. Veranda wie Haus waren vor Jahren grau angestrichen worden, und Betty Mae erinnerte sich noch genau an
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