Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
namens Hightower, der immer behauptet, in der Mitte der Straße gibt es nichts als gelbe Striche und tote Gürteltiere. Ich neige dazu, ihm recht zu geben.«
»Dennoch haben Sie offensichtlich mehr als nur ein akademisches Interesse an Politik.«
»Nur deswegen, weil die Politik die Geschäfte beeinflußt.«
»Und welche Art Geschäfte betreiben Sie – hauptsächlich?«
»Verschiedene.«
»Versicherung?« fragte Lieutenant Cruz. »Rückversicherung, um genau zu sein.«
Durant nickte, starrte dabei Cruz an und sehnte sich plötzlich nach einer Zigarette. ›Der ist ja noch heller, als du gedacht hast‹, begriff Durant. »Ich habe das Rückversicherungsgeschäft in Erwägung gezogen.«
»Sie waren im Geschäft – oder vielleicht sollte ich besser sagen im Bunde – mit dem verstorbenen Ernesto Pineda. Soweit ich weiß, haben Sie sogar den Leichnam identifiziert. Oben in Baguio. Richtig?«
»Richtig.«
»Der arme Pineda war ein entfernter Vetter unseres einstigen Präsidenten«, sagte Cruz. »Wußten Sie das?«
»Kann sein, daß Ernie das mal nebenbei erwähnt hat.«
»Ist es nicht … bedauerlich, Mr. Durant, daß Sie innerhalb einer einzigen Woche mit zwei entsetzlichen Mordfällen in Berührung kommen? Das muß sich doch arg auf Ihr Asthma auswirken.«
Während er an einer Erwiderung bastelte, hustete Durant erneut gekünstelt. Aber bevor er etwas sagen konnte, kehrte der Sergeant mit der sanften Stimme zurück und flüsterte Lieutenant Cruz etwas ins Ohr. Cruz antwortete: »Sofort.«
Der Sergeant verließ das Zimmer. Cruz lächelte Durant freundlich an und sagte: »Wir haben einen Besucher.«
Beide wandten sich um, als sich die Tür öffnete und Artie Wu eintrat, angetan mit seinem weißen Geldanzug, dem Panamahut und seinem Spazierstock. Wu übersah Lieutenant Cruz, steuerte direkt auf Durant zu und legte ihm besänftigend die große Hand auf die Schulter.
»Tut mir leid, Quincy«, sagte er. »Es tut mir so leid, ich kann gar nicht sagen, wie sehr.«
Durant sagte nichts.
Wu drehte sich um und nahm Lieutenant Cruz in Augenschein, wobei er sich viel Zeit ließ, den vanillefarbenen Seidenanzug, die zweifarbigen Schuhe und die übrige Aufmachung des Detectives der Mordkommission zu bewundern. Dann nickte Artie Wu scheinbar beifällig und sagte: »Und Sie, Sir, sind …?«
»Lieutenant Cruz«, sagte der Detective; er lächelte und musterte Wus Aufmachung mit der offenen Anerkennung des Stutzerkollegen. Noch immer lächelnd stand Cruz auf, streckte die Hand aus und sagte: »Willkommen, willkommen, Mr. Wu.«
19
Während der nächsten Stunde löcherte Lieutenant Cruz Wu und Durant mit Fragen über sie, den verstorbenen Ernesto Pineda (den sogar er inzwischen als »armer Ernie« bezeichnete) und Emily Cariaga.
»Welche Verbindung gab es zwischen ihr und dem armen Ernie?« wollte Cruz wissen und schien unbefriedigt, als Durant erwiderte, er wisse von keiner. Danach begann Cruz, Wu und Durant übereinander auszufragen.
Er erkundigte sich bei Durant, ob Wu verheiratet sei, und falls ja, wie die Namen von Mrs. Wu und den Kindern lauteten. Durant rasselte sie herunter. Dann fragte er Wu, ob Durant wegen seiner asthmatischen Bronchitis je in Behandlung gewesen sei. Wu nickte ernst und erwiderte, daß Durant die besten Spezialisten in Los Angeles, Denver und Zürich aufgesucht habe und in wenigen Wochen einen Spezialisten an der Harley Street zu konsultieren gedenke, der ihm vielversprechend erscheine.
»Wissen Sie, wir haben hier auch gute Ärzte«, sagte Cruz, ohne jeden Versuch, seinen Patriotismus zu verbergen.
»Es war mein hiesiger Arzt, der mir den Spezialisten in London empfohlen hat«, log Durant mit, wie Artie Wu bemerkte, gewohnter Kunstfertigkeit.
»Wir haben die besten Zahnärzte Asiens«, sagte Cruz ohne ersichtlichen Zusammenhang.
»Der Welt, für meinen Geldbeutel«, sagte Artie Wu.
Cruz schien zu wissen, wann er veräppelt wurde, also nahm er die Befragung wieder auf. »Sie sind offenbar ein Mann von hoher Bildung, Mr. Wu«, sagte er, und sein Ton verriet, daß er mit einer Lüge als Antwort rechnete.
Artie Wu zuckte nur die Achseln. Es war Durant, der ihm die Einzelheiten lieferte. »Princeton. Er hat sogar Phi Beta Kappa geschafft.«
»Und Sie, Mr. Durant. Sind Sie auch ein Princeton-Absolvent?«
»Nein. Ich war dort, habe aber keinen Abschluß geschafft.« Durant sah keine Notwendigkeit, zu erklären, daß er mit Artie Wu in sämtlichen Kursen nicht als Student, sondern als
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