Wu & Durant 03 - Voodoo, LTD.
sie nicht mehr aus den Augen. Ich blieb bei ihr, während der Doktor sie zusammenflickte. Sie lag einfach nur da, auf dem Bauch, und gab keinen Ton von sich; sie war noch halb weggetreten, nicht mal geweint hat sie. Der Doktor ließ mich ihre Hand halten. Damals war sie sieben, noch nicht ganz acht.«
»Jenny Arliss sagte, sie hätte nicht reden können oder wollen.«
»Kein Wort, nicht mal einen Mucks. Und nicht eine einzige Träne. Aber als der Doktor fertig war, hat sie mir ein schwaches Lächeln geschenkt, und das hat mir das Herz gebrochen.«
»Wann haben Sie den Goodisons von Alice erzählt?«
»Noch in derselben Nacht – nachdem ich die Kleine nach Hause gebracht und ins Bett gesteckt und mich davon überzeugt hatte, daß Mami und Papi wenigstens halbwegs nüchtern waren und daß der liebe Onkel auch da war, um einzuspringen, falls Mami und Papi doch umkippen sollten.«
»Das war Ned, stimmt’s? Dieser Onkel.«
Der Blick, mit dem sie ihn jetzt anschaute, war kalt, ruhig und unversöhnlich. Ein richtiger Polizistenblick, dachte Durant. »Hat Jenny Ihnen Neds Namen verraten?« fragte sie.
Durant nickte.
»Manchmal ist sie ’n bißchen vorlaut.«
»Kommen wir wieder zu den Goodisons«, sagte er.
»Ich mußte über Alice reden, also verabredete ich mich mit Hughes und Pauline zum Abendessen in diesem indischen Café, wo sie ein gutes Curry machen. Als ich ihnen von Alice erzählte, waren sie angemessen schockiert oder taten zumindest so. Und dann, ich weiß nicht mehr, ich glaube, ich bin auf die Idee gekommen, Alice zu hypnotisieren, um zu sehen, ob sie in Trance sagen würde, wer es getan hatte.«
»Wie haben sie reagiert – die Goodisons?«
»Sie waren nun einmal ein gerissenes Pärchen. Wie hatten die mich belämmert, damit ich ihnen einen Job für die Polizei verschaffe, und dann, als ich ihnen einen anbiete, sind sie auf einmal ganz bescheiden und sagen, sie wüßten nicht recht, vielleicht brauchten sie doch noch ein bißchen mehr Erfahrung und ähnlichen Quatsch, bis ich sie schließlich beinahe anbetteln mußte, damit sie es tun. Zuerst lehnten sie ab, dann sagten sie, vielleicht, mal sehen, bis sie endlich einwilligten. Und dann gingen wir zur Feier des Tages alle zusammen in ihre Wohnung in Hammersmith und vergnügten uns mit allerlei perversen Sexspielchen.«
»Was passierte dann?«
»Am nächsten Tag gehe ich zu meinem Revierleiter in Paddington. Er steht dieser Idee reserviert gegenüber, aber ich gebe keine Ruhe, und schließlich läßt er sich so weit erweichen, daß er vielleicht sagt – vorausgesetzt, ein Arzt ist dabei. Es dauert beinahe eine Woche, bis ich ihn ganz rumkriege. Jeden Abend verbringe ich so viel Zeit wie möglich bei Alice, die immerhin angefangen hatte zu summen.«
»Was hat sie gesummt?«
»Lieder. Sie lag einfach da und summte ein Lied nach dem anderen. Aber sprechen wollte sie nicht. Kein Wort. Mami und Papi standen immer noch unter Gin, und Onkel Ned flitzte herum, stöhnte ständig Ach du lieber Gott‹ und tat so, als würde er für Ordnung sorgen.«
»Wie alt waren die Eltern und Onkel Ned?«
»Alle Anfang dreißig. Warum?«
»Ach, nur so«, antwortete Durant. »Reine Neugier.«
»Also, wir legten ein Datum für die Sitzung fest, aber die Goodisons wollten erst noch mit Alices Eltern sprechen. Also treffen wir uns alle in einem Café, wo Pauline und Hughes ihnen erklären, was sie zu erreichen hofften, hübsch einfach und verständlich. Aber Mami und Papi kriegen auf einmal Bedenken, von wegen, was das alles kosten könnte, und ich erkläre ihnen immer wieder, daß sie sich keine Sorgen machen müssen, daß das Revier in Paddington die Rechnung bezahlen würde und so weiter. Nachdem ich es ihnen schließlich eingetrichtert habe, bessert sich ihre Laune, und sie schwirren ab in den nächsten Schnapsladen. Daraufhin bringe ich die Goodisons hinüber, damit sie Alice und Onkel Ned kennenlernen. Und danach verließ ich sie, weil ich zurück aufs Revier mußte.«
Mary Ticker hielt ihr leeres Glas hoch und fragte: »Noch eins?«
»Ja, gern«, antwortete Durant.
Nachdem sie aus der Küchenecke zurückgekehrt war und ihm seinen Drink gereicht hatte, trank sie einen Schluck von ihrem eigenen, lehnte sich zurück und fragte: »Wo war ich stehengeblieben?«
»Die Goodisons waren bei Onkel Ned.«
»Und Alice«, fügte sie hinzu. »Zwei oder drei Tage danach fand die Hypnosesitzung in Papis und Mamis Wohnzimmer statt. Anwesend sind ich und ein anderer
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