Wu & Durant 03 - Voodoo, LTD.
Lächeln zog sich zurück, so daß die Lippen sich kräuseln konnten zu einem Gebilde, das beinahe einer Rosenblüte ähnelte. Das Dreifachkinn hüpfte zusammen mit einem nachdenklichen Kopfnicken auf und ab, und dann sagte Richard Brackeen: »Wollen wir nicht irgendwo eine kleine Erfrischung zu uns nehmen?«
Die Bar des Hotels Bridges nannte sich Die Zahlstelle. Sie hatte eine diffuse Beleuchtung, niedrige Tische und große weiche Sessel zu bieten. Um 17.20 Uhr war sie bereits zu drei Vierteln besetzt, und das Stimmengewirr hatte sich von einem Summen zu einer Art Singsang gesteigert.
Brackeen, der mit dem Rücken zur Wand an einem Ecktisch saß, nannte die hübsche junge Cocktail-Kellnerin »Kleines«, als er einen Martini bestellte und dabei genaue Angaben nicht nur zur Marke des Gins, sondern auch des Wermuts machte. Overby bestellte eine Flasche mexikanisches Bier und sagte, jede Marke sei ihm recht.
Die Kellnerin kam zurück, servierte die Drinks, kassierte bei Overby, grinste über das Trinkgeld, wandte sich an Brackeen und fragte ihn: »Wann fängst du an zu drehen, Dicky?«
»Dienstag.«
»Du hast doch gesagt, es könnte dabei eine Rolle für mich abfallen.«
Brackeen sah hoch zu ihr und zog die Brauen zusammen, als müsse er seine gesammelten Versprechungen erst einmal im Kopf abspulen lassen. Die Stirn hatte sich wieder geglättet, als er sagte: »Außer einer kleinen Rolle in der fünften Szene ist alles besetzt. Wenn du sie willst, kannst du sie haben.«
»Was muß ich spielen?«
Brackeen verlor bereits das Interesse. »Hast du schon mal bei einer richtigen Orgie mitgemacht?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich glaub’ schon.«
»Was war das für eine? Mal mit Jungs und mal mit Mädchen und manchmal mit beidem?«
Sie nickte.
»Gut, der einzige Unterschied ist, daß es sich diesmal um eine zeitgeschichtliche Orgie handelt und du ein Kostüm tragen mußt – etwa zehn Sekunden lang.«
»Was meinst du damit, eine ›zeitgeschichtliche Orgie‹?«
»Historisch meine ich damit. Römisch, in diesem Fall.« Brackeen hatte inzwischen alles Interesse an der Frau verloren und schlürfte seinen Martini.
»Aber es wäre eine echte Chance, ja?« sagte sie, ohne das geringste Anzeichen von Überzeugung.
»Sicher«, bestätigte Brackeen in genau demselben Tonfall.
»Okay. Ich mach’ es.«
»Dann laß deinen richtigen Namen, Telefonnummer, Adresse und Sozialversicherungsnummer in meinem Hotelfach.«
»Danke, Dickie.«
Brackeen nickte, die Cocktail-Kellnerin ging, und Overby sagte: »Ich dachte, die Jungs aus dem Chicagoer Osten wären hereingesegelt und hätten dich rausgeschmissen.«
»Ich hab’ ihnen den Zelluloidkram gelassen, mehr nicht. Wer braucht heute noch den Projektor? Ich mache nur noch in Video und vertreibe die Kassetten über Versand. Ich setze Anzeigen in die Pornomagazine und habe außerdem ein paar hübsche ›Call-A-Porno‹ unter 900er-Nummern eingerichtet.« Das Reden über Geschäfte heiterte Brackeen sichtlich auf, und das fröhliche Lächeln kehrte zurück. »Außerdem bin ich zu einem ergebenen Anhänger der goldenen Geschäftsregel geworden, Otherguy: Runter mit den Löhnen, rauf mit dem Profit.«
»Klingt gut.«
Brackeen zuckte die Achseln. »Kommt meinen Bedürfnissen entgegen.«
»Mal angenommen«, sagte Overby, »du willst für ein paar Tage oder eine Woche oder auch ein, zwei Monate untertauchen.«
»Vor wem – den Cops?«
»Oder vor den Jungs aus dem Chicagoer Osten.«
»Ich würde nach Mexiko fahren – in ein kleines Dorf südlich von La Paz, wo kein Mensch was anderes als Spanisch spricht, mich eingeschlossen.«
»Mal angenommen, du würdest nur Englisch sprechen. Englisches Englisch.«
»Mit Akzent und allem?«
Overby nickte.
»Und du sprichst nicht vom Abtauchen in irgendeinem EinZimmer-Apartment in Palms, mit einer Tiefkühltruhe voller Pizzas, einer Mikrowelle und einem Fernseher?«
Overby schüttelte den Kopf.
»Voller Service?«
Overby nickte und trank einen Schluck von seinem Bier.
»Nun, dann kenne ich nur einen Laden in der Gegend von L. A., und der gehört Colleen Cullen. Kennst du sie?«
»Ich glaube, jemand hat mal gesagt, sie hätte ein paar Schrauben locker.«
»Sie ist eine Partisanin, Otherguy, und Partisanen sind nun mal nicht ganz dicht.«
»Was hat sie denn so zu bieten – außer einem Zimmer und Verpflegung?«
Brackeen schaute auf, als müßte er erst über seine Antwort nachdenken, dann nickte er sich selber zu und
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