Wu & Durant 03 - Voodoo, LTD.
inzwischen neunzehn Minuten beinahe lohnend erscheinen ließ. Denn es war ein Gesicht aus ihrer Kindheit, aber eines, das vom Alter und der Sonne und wahrscheinlich zu viel Whisky aufgequollen und runzelig und dunkelrot geworden war. Das goldene Haar war dünner geworden und weiß, aber er bewegte sich immer noch im selben federnden Gang vorwärts, und sein Rücken war kerzengerade geblieben. Der alte Schauspieler warf einen flüchtigen Blick auf Georgia Blue, bemerkte, daß sie ihn anstarrte, schenkte ihr ein schiefes, ein wenig verrücktes Grinsen – er hätte ein Copyright dafür beantragen sollen –, zwinkerte ihr kurz zu und war schon verschwunden.
Jack Broach erhob sich lächelnd aus seinem Sessel und kam eiligen Schrittes um den Schreibtisch herum, an dem ein französischer Möbeltischler des 18. Jahrhunderts wohl mindestens ein Jahr lang gearbeitet haben mochte. Erst nachdem er den Schreibtisch ganz umrundet hatte, begrüßte Broach sie freundlich mit Namen und bat sie, doch auf der Couch unter den »drei kleinen Daumiers‹ Platz zu nehmen, wie er sich ausdrückte.
Die Blue drehte sich um und warf einen kurzen Blick auf die drei Federzeichnungen, bevor sie sich setzte. Nachdem sie Platz genommen hatten – sie auf der Couch, er in einem großen Ohrensessel –, sagte Broach zu ihr: »Statt Ihre Fragen zu beantworten, würde ich Sie lieber engagieren oder Sie dazu überreden, einen Exklusiv-Vertrag bei mir zu unterschreiben.«
»Ach, wie nett«, erwiderte die Blue, und genauso gut hätte sie sagen können: »Reden Sie nicht so einen Scheiß.«
Broach berührte genau an der Stelle seine Stirn, wo seine Geheimratsecken sich trafen, und sagte: »Diese Strähne – die ist echt, stimmt’s?«
»Was meinen Sie?«
»Sie muß echt sein, denn Sie bräuchten sie nicht.«
Georgia Blue lächelte leise und wartete auf die nächste Frage.
Wieder verirrte sich Broachs rechte Hand zu seinem Haaransatz. »Wie lange hat es gedauert, bis sie grau war? Ein Jahr? Einen Monat? Wie lange?«
»Über Nacht«, antwortete sie.
»Du lieber Gott, was ist passiert?«
»Man steckte mich ins Gefängnis. Auf den Philippinen.«
Broach schien eher fasziniert als schockiert zu sein. »Für was?«
»Für fünf Jahre.«
»Ich meine …«
Sie ließ ihn nicht ausreden. »Sie haben behauptet, ich hätte jemanden getötet. Ich hab’s abgestritten. Vor ein paar Tagen wurde meine Strafe ausgesetzt.«
»Nicht direkt eine Begnadigung, oder?«
»Nicht direkt.«
»Und vor dieser Geschichte?«
»War ich Agentin des Secret Service.«
»Ich wußte nicht, daß die auch weibliche Agenten haben.«
»Das wußte der Fiskus auch lange nicht.«
»Und jetzt arbeiten Sie für meinen Klienten?«
»Ich arbeite für Wu und Durant.«
»Wudu, Ltd.«, sagte er. »Originell.«
»Jedenfalls leicht zu behalten.«
»Die müssen Sie direkt aus dem Knast engagiert haben.«
»Es wartete schon jemand, als die Gefängnistore sich öffneten.«
»Dann müssen Sie sie schon vorher gekannt haben.«
»Nicht unbedingt – aber es stimmt. Ich kannte sie schon vorher.«
Broach lehnte sich in seinem Sessel zurück, legte die Fingerspitzen unter der Nase zusammen und musterte sie ein paar Sekunden lang. Dann faltete er die Finger zusammen, legte sie in den Schoß und sagte: »Wissen Sie, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene? Ich biete intensive Betreuung für kränkelnde Egos. Und verflucht selten begegnet man jemandem, der das nicht nötig hat.«
»Wie steht’s mit Ione Gambles Ego?«
»Bemerkenswert robust.«
»Und, wie kümmern Sie sich um sie?«
»Ich gebe ihr Ratschläge.«
»Haben Sie ihr geraten, Hypnotiseure zu engagieren?«
»Der Rat kam von ihrem Strafverteidiger, auch wenn ich damit einverstanden war.«
»Haben Sie sie kennengelernt – die Goodisons?«
Er nickte.
»Und?«
Jack Broach beugte sich vor; den neuen und sehr ernsten Gesichtsausdruck deutete Georgia Blue als sein Sie-können-mir-vertrauen-Gesicht.
»Ich arbeite in der Talentbranche«, sagte er. »Ich entdecke Talente. Ich päpple sie auf. Ich verpacke sie. Und dann verkauf ich sie. Und manchmal muß ich feststellen, daß sie sich nicht mehr verkaufen lassen. Dieser Job macht mich zu einer Art Sachverständigen. Nach meiner ersten Einschätzung handelte es sich bei Hughes und Pauline Goodison um die üblichen Scharlatane. Und als ich meine erste und einzige Stunde mit ihnen und Ione hinter mir hatte, waren sie für mich endgültig zwei sehr kranke, arme Schweine.«
»Sie
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