Wu & Durant 03 - Voodoo, LTD.
bereits siebenundsechzig Minuten in der Lobby des Hotels Bridges herumgesessen, als er endlich jemanden entdeckte, der sich als nützlich erweisen könnte. Das Hotel war noch keine dreizehn Jahre alt, und doch hatte es sich bereits eine Art gediegener Schäbigkeit zugelegt, von welcher die Leute angezogen wurden, die eine Adresse mit der Postleitzahl von Beverly Hills brauchten.
Wenn auch nicht gerade billig, so war das Hotel doch vergleichsweise preiswert und war deshalb sehr beliebt bei ausländischen und amerikanischen Journalisten, Promotern, Schauspielern und alternden Gelegenheitsautoren, die davon überzeugt waren, daß ihre Lebensgeschichte einen wunderbaren Film abgeben würde.
In der Lobby, die mit einem Material getäfelt war, das wie Eiche aussehen sollte, standen jede Menge Couchen und Sessel herum, allesamt mit dunkelbraunem Naugahyde bezogen. An den Wänden hingen riesige Farbdrucke mitteleuropäischer Landschaften, und das Radio spielte einen der klassischen UKW-Sender von Los Angeles, allerdings so leise, daß es sich mehr nach einem Murmeln als nach Musik anhörte.
Der Kassenschalter war mit kugelfestem Glas gesichert, und hinter dem Empfangstresen stand ein melancholisch aussehender Mittvierziger. Er hatte einen dichten, schwarzen Schnauzbart und die deprimierte Miene eines Mannes, der neun Sprachen beherrschte und sich jetzt fragen mußte, wozu er sich die Mühe gemacht hatte.
Der Hausdetektiv – der von der Hotelleitung Sicherheitsbeauftragter genannt wurde – war ein schwarzarbeitender Sergeant der Polizei von Beverly Hills. Zweimal schon war er an Overby vorbeigegangen, ohne ihm mehr als einen Seitenblick zu widmen. Das mag daran gelegen haben, daß Overby auf einem der beiden Stühle in der Lobby Platz genommen hatte, Füße und Knie artig geschlossen; der große Filzhut lagerte auf seinem Schoß. Der Rest von ihm steckte in schwarzen Halbschuhen mit Schnürbändern, einem weißen Hemd, einer schmucklosen, grauen Krawatte und einem zweireihigen blauen Nadelstreifenanzug, den er in London von der Stange gekauft hatte. Es war ein sorgsam gewählter Anzug, der Overby, solange er den Mund nicht aufmachte, als Ausländer abstempelte, möglicherweise als Nordeuropäer.
Der Jemand, den Overby sich als möglicherweise nützlich ausgeguckt hatte, war ein stämmiger, mittelgroßer Mann mit dreifachem Kinn. Er hatte gerade seine Post und das Wall Street Journal am Empfangstresen abgeholt und blätterte die vier oder fünf Umschläge durch, als Overby von hinten an ihn herantrat und ihm auf die rechte Schulter tippte.
Der Mann erstarrte – wenn auch nur für eine Sekunde –, dann wirbelte er auf seinen seltsam kleinen Füßen herum. Auf seinem Gesicht strahlte ein fröhliches Lächeln, als stünde er seinem ältesten und besten Freund gegenüber. Ein Großteil dieses Lächelns war auch noch da, als er seine rechte Hand ausstreckte und sagte: »Was zum Teufel willst du von mir?«
Overby erwiderte das Lächeln, schüttelte die Hand, ließ sie wieder los und antwortete: »Sie schicken dir das Wall Street Journal hierher, Dickie – und deine monatliche American-Express-Rechnung. Das bedeutet, daß du schon ’ne ganze Weile hier wohnst. Und es bedeutet außerdem, daß du schon lange genug wieder in der Stadt bist, um etwas zu wissen, was ich wissen muß.«
Richard Brackeen, zweiundvierzig, schob seine Post in die rechte Außentasche seines wunderschön geschneiderten schwarzen Anzugs, steckte das Wall Street Journal unter die linke Armbeuge und faltete vor der gewaltigen Rundung seines Bauches die Hände. Eine taubengraue Weste, geschmückt mit einer goldenen Uhrkette, an der ein Phi-Beta-Kappa-Schlüssel hing, ließ die gewaltige Bauchmasse noch größer erscheinen, als sie eh schon war.
Die Hände gefaltet, das fröhliche Lächeln noch immer an seinem Platz, hüpfte Brackeen auf den Absätzen ein Stück rückwärts und inspizierte Overby mit kleinen schnellen Äuglein, die die Farbe und den Schimmer von Quecksilber hatten.
»Wen zum Henker willst du darstellen, Otherguy? Jemanden, der gerade noch die letzte Maschine aus Bagdad erwischt hat?«
Overby ließ sein hartes weißes Grinsen aufblitzen, dann antwortete er: »Erzähl mir, was ich von dir wissen will, und du kriegst dreihundert, Dicky. Für irgend ’nen Scheißdreck gibt’s nur hundert.«
»Ich hab’ gehört, du warst in Mesopotamien – oder war es Transjordanien?«
»Und jetzt bin ich hier in L. A. Also?«
Das fröhliche
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