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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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auf Svritskys Arm schwoll an, als er die Zigarette zu seinen gierigen Lippen führte.
    »Sie sehen nicht gut aus«, sagte er, in Rauch eingehüllt. »Und warum zum Teufel schauen Sie mich so an?«
    »Entschuldigung«, murmelte Richard. »Ihre Tätowierung hat mich nur an etwas erinnert.«
    Svritsky brummte und hielt in einer obszönen Geste seine Faust zwischen seine Schenkel. Richard versuchte nicht, ihn davon abzuhalten. Riedwaan Faizal lief am anderen Ende des Korridors auf und ab, während er in sein Handy sprach. Er bemerkte, dass Richard ihn beobachtete, und verbeugte sich spöttisch. Auch Svritsky nahm die Geste wahr. Normalerweise wäre das für ihn Anlass genug gewesen, um einen weiteren Schwall Flüche von sich zu geben, aber diesmal blieb er ungerührt sitzen und schwieg. Richard runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte nicht.

    Sein Kopf schmerzte, und seine Muskeln waren von der Nacht auf der Couch im Fernsehzimmer steif. Er hatte nicht versucht, Amanda alles zu erklären. Zuerst einmal musste er selbst begreifen, was geschehen war, um dann die richtigen Worte zu finden. Zu seiner Überraschung schien sie ihn zu verstehen und drängte ihn zu keiner Erläuterung. »Ich erwarte, dass du mir irgendwann alles erzählst«, hatte sie ihm erklärt, »aber das muss nicht sofort sein.« Er hatte stumm genickt, auch wenn er in diesem Moment noch weit davon entfernt war, den Aufruhr zu begreifen, der in ihm tobte. Würde er wohl jemals so weit sein, seiner Frau alles verständlich machen zu können?
    Für den Moment zumindest herrschte Waffenstillstand zwischen ihnen, ein Waffenstillstand, der allerdings auf höchst wackeligen Füßen stand. Sie meisterten ihr gemeinsames Leben, indem sie sich mit ausgesuchter Höflichkeit begegneten und oberflächliche Nettigkeiten austauschten. Richard hatte inzwischen aufgehört, sich immer wieder zu übergeben, doch Übelkeit und ein trockenes Würgen quälten ihn weiterhin. Seine blutunterlaufenen Augen hatten ihre ursprüngliche Farbe wiedererlangt, aber der Schmerz in seinem Kopf schien immer tiefer in die Höhlen zu sinken.
    Er versuchte, seinen Magen unter Kontrolle zu bekommen, doch er verkrampfte sich zusehends. Svritskys Zigarettenrauch und das selbstsichere Grinsen des zuständigen Polizisten halfen nicht gerade, dass es ihm besser ging. Er strich die Falten an seiner Anzughose glatt und bemühte sich darum, seine Gedanken zu ordnen. Dann holte er tief Luft und begann den Plan für den ersten Prozesstag zusammenzufassen. »Also, Stefan, es scheint ganz so, als ob …«
    Sein Mandant hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Heute wird es nicht so laufen wie sonst, mein Guter. Sparen Sie sich Ihre Worte für später auf.«

    Richard sah ihn an und versuchte herauszufinden, ob das nur das übliche Kampfgeschrei des Russen war oder ob er ihm gerade gedroht hatte. Svritskys Miene war jedoch völlig ausdruckslos. Sie gab nichts preis.
    Richard zuckte mit den Achseln und stand auf, um den Staatsanwalt zu finden. Besorgt beobachtete er, wie sich Faizal auf Dumbela stürzte, als dieser sein Büro aufschloss, und die beiden - sogleich in ein Gespräch vertieft - darin verschwanden. Richard drehte sich zu Svritsky um. Da entdeckte er seinen geschäftig herbeieilenden Kollegen Max Bernberg, der den Gang entlang auf ihn zukam. Er stöhnte innerlich auf. O Gott, dachte er, nicht auch noch der. Diesen Idioten kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen.
    »Richard!«, rief Bernberg, als er noch einige Meter von ihm entfernt war. Richard überlegte einen Moment lang, ob er einfach nicht reagieren und um die Ecke verschwinden sollte. Doch im Korridor war es derart still, dass er nicht einfach vorgeben konnte, er hätte ihn nicht gehört. Seufzend wartete er, bis Bernberg ihn erreicht hatte. Ohne Herzlichkeit schüttelten sich die beiden die Hände, wobei sie sich abschätzend wie Jungen auf dem Spielplatz ins Visier nahmen. Richard hatte an diesem Tag nicht die Nerven für dieses Spiel und wandte sich ab, um sich wieder hinzusetzen.
    »Stefan, Sie sollten sich zu uns gesellen.« Bernberg sprach Svritsky direkt an, wobei seine Aufforderung wie ein herrischer Befehl klang. Richard verblüffte sowohl der Ton als auch die Tatsache, dass Bernberg den Vornamen seines Klienten kannte. Noch überraschender war allerdings, dass Svritsky gehorchte. Er drückte seine Zigarette in dem Betoneimer neben der Bank aus, stand auf und trat zu den beiden Anwälten. Richard warf ihm einen erstaunten Blick zu.

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