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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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aufgesetzt hatte. Also überflog er das Dokument. Hastig wanderte er mit den Augen von einem Satz zum nächsten. Diesem Protokoll zufolge hatte der Zeuge den Unfall mit angesehen. Er hatte beobachtet, wie das Fahrzeug die Kontrolle verloren hatte, auf die falsche Seite der Straße geraten und auf den Bürgersteig gefahren war, wo es gegen das Opfer prallte. Der Mann hatte dann miterlebt, wie der Fahrer ausstieg und dem Opfer, das auf dem Boden gelegen hatte, einen Tritt versetzte. Daraufhin hatte sich der Fahrer nach unten gebeugt und seine Hand auf den Hals des Opfers gelegt, ehe er es erneut trat und anschließend davonfuhr. Der Zeuge beschrieb zudem genau das grüne Ford Coupé, auch wenn er das Nummernschild nicht wahrgenommen hatte.
    Richard hielt bei der Beschreibung des Fahrers inne. Sie passte auf Svritsky, aber in einem Kreuzverhör gab es sicherlich noch genügend Spielraum für Zweifel. Eine Gegenüberstellung hatte bisher nicht stattgefunden.
    »Also hat die Staatsanwaltschaft ihren Zeugen. Na und? Er lässt den ganzen Vorgang zwar ziemlich kaltblütig erscheinen, aber das lässt sich mit unterschiedlichen Wahrnehmungsmustern erklären. Schließlich war das kein Zugunglück. Ich kann
im Kreuzverhör spielend Zweifel an diesem Augenzeugenbericht aufkommen lassen.« Frustriert wandte er sich wieder an Svritsky. »Diese Aussage kann hinterfragt werden. Wenn es das ist, was Sie dazu veranlasst hat, mitten im Rennen die Pferde zu wechseln, sind Sie nicht ganz bei Trost, Stefan.«
    »Nicht so hastig, Richard«, erwiderte Bernberg. Die Farbe von Svritskys Augen verdunkelte sich bedrohlich. »Werfen Sie doch einmal einen Blick auf den Namen des Zeugen. Seinen echten Namen.«
    Erst jetzt las Richard die standardisierten Einführungszeilen. Er wurde kreidebleich. Er versuchte unbeeindruckt zu wirken, aber der Schock versetzte ihm einen heftigen Schlag. Der Korridor um ihn herum begann sich zu drehen, und er befürchtete umzufallen, wenn er sich nicht gleich irgendwo hinsetzen konnte. Unwillkürlich stöhnte er auf.
    Bernberg grinste grimmig. »Sie kennen doch Mr Ifasen Obeyi, nicht wahr?«
    Richard starrte ihn entsetzt an. »Sind Sie nicht mehr ganz bei Trost?« Bernberg zuckte zusammen, erwiderte aber nichts. »Das ist doch der reine Wahnsinn. Ifasen Obeyi kann gar nicht der Zeuge sein. Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich habe erst vor einigen Tagen mit ihm im Gefängnis gesprochen.« Noch während er sprach, wurde ihm mit einem Mal bewusst, wie tief der Abgrund war, in den er gerade zu stürzen drohte.
    Bernberg nickte bedächtig. »Ifasen Obeyi ist Ihr Mandant, Richard. Sie sollten für ihn Kaution beantragen, aber er wurde vorher entlassen, und zwar nachdem er mit der Staatsanwaltschaft einen Deal ausgehandelt hat. Seine Freiheit … und im Gegenzug dafür seine Zeugenaussage gegen Ihren … früheren Mandanten. Und genau da liegt der Hund begraben. Sie sind der Anwalt des Hauptbelastungszeugen der Staatsanwaltschaft. Tatsächlich repräsentieren Sie sowohl Mr Svritsky als auch Mr
Obeyi, und zwar gleichzeitig. Das stellt einen Interessenskonflikt dar, wie er mir in meiner ganzen beruflichen Laufbahn noch nie untergekommen ist.« Bernberg schien um einige Zentimeter zu wachsen, während er sprach. Er blies die Backen auf, als er über den bedenklichen Ernst der Lage nachzudenken schien.
    »Natürlich«, fuhr er schließlich fort, »interessiert sich das Gericht nicht wirklich für Ihren persönlichen Konflikt in dieser Sache. Es geht vielmehr um die Rechte des Angeklagten. Und diese wurden meiner Meinung nach empfindlich verletzt.«
    Endlich begriff Richard, was Bernberg mit dieser Strategie bezweckte. Wütend fuhr er ihn an. »Jetzt aber mal hübsch langsam, Max! Stefans Rechte wurden in keiner Weise durch irgendetwas, was ich getan haben soll, verletzt. Wenn Sie versuchen, das auch nur anzudeuten, werde ich Sie schneller vor die Anwaltskammer zerren, als Sie ›schuldig‹ sagen können. Sie kleiner mieser Zwerg, wagen Sie ja nicht, mich zu benutzen, um für Ihren neuen Klienten einen Sieg herauszuschlagen! Und falls Sie tatsächlich vorhaben, so vorzugehen, dann können Sie ihn von mir aus gleich als Ihren Mandanten behalten.«
    Rote Flecken zeigten sich auf Bernbergs rundlichem Gesicht. »Also wirklich, Calloway, ich verstehe ja, dass Sie aufgebracht sind«, fauchte er, »aber deswegen müssen Sie mich noch lange nicht beleidigen. Ich werde keinen Augenblick lang zögern, Sie meinerseits wegen

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