Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
als ob er dort nach der Verletzung suchte. Eine dünne Spur wässrigen Bluts rann aus dem Auge über seine Wange und tropfte langsam auf Ifasens Matratze. Dann gaben seine Beine nach, und er stürzte zu Boden. Ifasen streckte den Arm aus, falls er in seine Richtung fallen sollte. Doch er stürzte nach vorn und blieb dort leblos liegen.
    In der Zelle herrschte nun Stille. Nur das keuchende Atmen der Kämpfer war noch zu hören. Innerhalb weniger Sekunden hatten sich alle auf ihre Pritschen gelegt und die Decken über den Kopf gezogen.
    Ifasen tat in jener Nacht kaum ein Auge zu - zu deutlich war er sich des reglosen Körpers zu seinen Füßen bewusst. Am Morgen stand keiner auf. Sobald die Wärter die Tür aufsperrten und sahen, dass alle noch auf ihren Matratzen lagen, wussten sie, was geschehen war. Sie behandelten das Ganze routiniert. Ruhig trugen sie den steifen Leichnam auf einer Bahre aus der Zelle und ließen dann die Häftlinge sich in einer Reihe aufstellen, um sie nach Blut und Kampfspuren abzusuchen. Einige wurden daraufhin fortgebracht und in Einzelhaft gesteckt. Ifasen wurde gefragt, ob er irgendetwas gesehen habe. Keiner bestand jedoch auf einer Antwort.
    Der Tote wurde nie mehr erwähnt, und noch am selben Tag beobachtete Ifasen, wie einige seiner Mithäftlinge bereits wieder bedächtig die Plastikgriffe ihrer Zahnbürsten an der Mauer schärften.
    Jeden Morgen um sechs gab es in der Zelle Frühstück. Die Insassen, die Küchendienst hatten, schoben einen großen Servierwagen
mit riesigen Metalltöpfen voll klumpigem Haferbrei herein. Sobald man aufgegessen hatte, gab man Teller und Löffel den Männern vom Küchendienst zurück, was von den Wärtern genau kontrolliert wurde. Niemand durfte die Zelle verlassen, ehe er nicht seinen Teller mit Haferbrei leergegessen hatte. Die nach nichts schmeckenden Haferflocken blieben Ifasen im Hals stecken und verursachten ihm Übelkeit. Er musste immer wieder würgen, während er versuchte, den Brei hinunterzuschlucken. Stets war er der Letzte, der die Zelle verlassen konnte. Den restlichen Morgen und Vormittag über fühlte er sich krank und schlapp. Schon bald wurde ihm klar, dass das der eigentliche Sinn und Zweck des Frühstücks war: Man wollte die Gefangenen gefügig und träge machen.
    Auch das Mittagessen wurde in der Zelle eingenommen. Jeder bekam sechs Scheiben Graubrot mit einem Klecks klebriger Marmelade. Nur das Abendessen wurde in der großen Kantine serviert. Hier fühlte sich Ifasen am angreifbarsten. Alle Untersuchungshäftlinge saßen auf Bänken an langen Tischen, und es gab nur wenige Wärter, die sie beobachteten. Das Essen wurde von den Tellern geklaut, immer wieder kam es zu Keilereien, und mit einem einzigen Blick konnte man sich einen Feind machen. Alle waren übermäßig vorsichtig, launisch und schützten gewaltbereit ihre Teller mit dem unappetitlichen Fraß, den es hier gab, während sie auf einen guten Moment warteten, Besteck zu entwenden, das sie dann bei nächster Gelegenheit gegen Zigaretten oder Drogen eintauschen konnten.
    Als Ifasen zum ersten Mal die Kantine betrat, setzte er sich einfach an den Tisch, an dem noch Platz war. Ein Kerl mit einer breiten Narbe im Gesicht ließ sich schwer neben ihm nieder. »Verzieh dich zu den anderen Kakerlaken«, sagte er, ohne Ifasen auch nur eines Blickes zu würdigen.
    »Wie bitte? Was soll ich?«, erwiderte Ifasen, ohne nachzudenken
- nur um sogleich die Frage zu bereuen, die auf einmal fast wie eine Herausforderung klang.
    Der Mann zeigte sich völlig unbeeindruckt. Er wies einfach mit der Gabel auf einen Tisch neben den Abfalleimern. Dort saßen mehrere Männer mit dunkler Hautfarbe. Allesamt Ausländer. Mit gekrümmtem Rücken widmeten sie sich ihren Tellern. Ifasen nickte und stand auf. Der Mann knurrte etwas Unverständliches und fuhr dann ungerührt mit dem Essen fort. Langsam bahnte sich Ifasen einen Weg durch den Raum, wobei er sich die größte Mühe gab, niemanden zu berühren.
    Dann setzte er sich an den Tisch, auf den der Mann gedeutet hatte. Neben ihm hockte ein breitschultriger Kerl mit kahl rasiertem Schädel und einer Brille mit dicken Gläsern. Der faulige Gestank aus den ungewaschenen Eimern stieg Ifasen in die Nase.
    »Man hat mir gesagt, ich soll mich zu den Kakerlaken setzen«, erklärte Ifasen.
    Der Glatzkopf rutschte ein wenig beiseite und zog dabei seinen Teller mit sich. »Ich bin Hutu«, murmelte er, als spräche er mit sich selbst. Sonst sagte er nichts.
    Ein

Weitere Kostenlose Bücher