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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Génocidaire , dachte Ifasen düster. Wahrscheinlich war er ein früheres Mitglied der Hutu-Miliz Interahamwe, das sich in Südafrika verstecken wollte und dabei wie viele andere von der Polizei aufgegriffen worden war. Jetzt hatte er vermutlich Angst, dass seine wahre Identität auffliegen könnte. Mir dir verbindet mich genauso wenig wie mit all den anderen hier, dachte Ifasen und sah zu, wie sich der Mann löffelweise weich gekochten Kohl in den Mund schob.
    Ifasen stach mit der Gabel in den unappetitlichen Fraß auf seinem Teller. Hier in der Hölle, dachte er, gibt es sogar bei den Kakerlaken eine Rangordnung.

12
    Der Club wirkte sehr weitläufig. Der schmale Eingang täuschte, denn dahinter befand sich ein riesiger Raum mit zahlreichen Tischen und dunklen Ecken. Die Beleuchtung schimmerte nur schwach, und auch die alten Holzmöbel trugen zu der düsteren Atmosphäre bei. Überall im Raum standen Fernseher, auf denen bunte Bilder flackerten.
    Richard lief unsicher zwischen den Tischen hindurch. Eine junge Frau mit seidig dunkler Haut stellte ein Glas auf die Bartheke und erhob sich. Sie kam ihm entgegen, musterte ihn aufmerksam von Kopf bis Fuß und kehrte dann wieder zu ihrem Platz zurück.
    Er stand in der Mitte des Clubs und kam sich zwischen all den Stühlen und gekrümmten Gestalten verloren vor. Erst als ihm Abayomi zuwinkte, erhellte sich seine Miene. Sie bewegte die Lippen, als wenn sie etwas sagte, aber er konnte sie nicht verstehen.
    Als er zu ihr an den Tisch trat, stand sie auf, um ihn zu begrüßen. Richard überlegte sich einen Moment lang, ob er sie an der Taille umfassen sollte, wagte es dann aber doch nicht, sie zu berühren. Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf jede Wange. Gierig wartete er auf ihren Duft aus Sandelholz und Öl, doch diesmal roch sie nach Shampoo und einem blumigen Parfum. Die höfliche Distanz, die er in ihrem Kuss spürte, enttäuschte
ihn. Noch mehr enttäuschte ihn jedoch die Tatsache, dass sie nicht allein gekommen war.
    »Das ist mein guter Bekannter - Sunday«, sagte Abayomi und drehte sich zu dem dünnen Mann, der neben ihr saß. »Und das ist Richard.«
    »Das ist also dein obobo canda, sista «, meinte der Mann zu Abayomi.
    »Sunday redet meist in Rätseln und im Lagos-Slang«, erklärte sie Richard. »Bitte ignorier ihn einfach.« Sie klang ernster, als es die Situation verlangte. Richard musterte den Mann misstrauisch.
    Anstatt sich getadelt zu fühlen, erhob sich dieser mit großer Geste, wobei er seinen Stuhl nach hinten schob. Er streckte Richard die Hand entgegen. » Oyinbo! Man nennt mich Sunday, weil man mit mir so leicht zu Geld kommt, dass sich jeder Tag wie ein Sonntag anfühlt.«
    Abayomi warf ihm einen strafenden Blick zu.
    »Ich sehe dein throway Gesicht, sista «, fügte er wie nebenbei mit blitzenden Augen hinzu. Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern fuhr angeregt fort, auf Richard einzureden. »Verstehst du, mein Freund? Mit mir ist ein Geschäft so leicht, als würde man sich an einem Sonntag ausruhen, während andere für einen arbeiten.« Er grinste breit, wobei sein Gesicht seltsam eingefallen und fahl wirkte.
    Sundays überschwänglich zur Schau getragenes Selbstbewusstsein ließ Richard entspannter werden. Entschlossen schüttelte er dem Mann die Hand.
    »O nein«, widersprach Abayomi. »Man nennt dich Sunday, weil das der Name ist, den dir deine armen Eltern gegeben haben, Dundi. Und der Grund, warum deine armen Eltern dich so genannt haben, war der, dass ihnen kein originellerer Name für einen weiteren ungewollten Sohn eingefallen ist. Du wurdest
an einem Sonntag geboren, sonst nichts.« Sie versuchte, finster dreinzublicken, aber Sunday kicherte nur über ihre Strenge.
    »In Yoruba sagen wir, dass man einen Namen weder kochen noch essen kann, Mr Richard, man . Das Leben und was man daraus macht, ist das einzig Wichtige.«
    Richard zog einen Stuhl vor und setzte sich. Er sah Sunday fragend an.
    Abayomi kam ihm zu Hilfe. »Du wirst noch feststellen, dass Sunday Yoruba-Sprichwörter über alles liebt. Seine Kultur ist voller solcher Sprüche. Sie erlauben es ihm, Dinge beim Namen zu nennen und dann so zu tun, als hätte er es gar nicht so gemeint. In Wirklichkeit gibt es allerdings nur ein wichtiges Sprichwort. Und zwar sagen wir: Bí a ti nrìn la se nkoni . Das heißt: Die Art, wie wir gehen, bestimmt die Art, wie wir empfangen werden. Wenn sich Sunday mehr daran hielte, würde er vielleicht endlich begreifen, dass vor allem der erste

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