Wüstenfeuer
gelernt, aber er konnte über Helenas Besuch auf Zypern nicht viel mehr beisteuern. Hier hat es so viele Plünderungen gegeben, dass keinerlei Ankunftsdaten zurückgeblieben sind. Das Fazit ist: Niemand weiß etwas von Reliquien – außer dem Heiligen Kreuz.«
»Hat er vielleicht irgendetwas über Helenas Flotte gesagt?«
Dirk schüttelte den Kopf. »Soweit man weiß, ist Helena ohne irgendeinen Zwischenfall auf Zypern angekommen und wieder abgereist.«
»Dann muss Plautius mit seiner Galeere vor ihrer Ankunft angegriffen worden sein.«
Sie ergriff seinen Arm und zog ihn zu einer der Hofwände. »Komm. Sieh dir das mal an.«
Sie führte ihn zu einem Trio großer Fresken auf einem geraden Mauerstück. Die Fresken waren fast bis zur Unsichtbarkeit verblichen. Dirk trat näher heran und studierte das erste Feld. Es war die übliche Madonna mit dem Kinde – einem kleinen Jesus mit Heiligenschein, den Maria im Arm hielt. Die großen Augen und die flächige Darstellung beider Figuren zeigten, dass es ein uralter Kunststil war. Das nächste Feld zeigte die Kreuzigungsszene mit Jesus am Kreuz, der den Kopf in schrecklicher Qual herabhängen lässt. Ein wenig ungewöhnlich für das Genre war, wie Dirk bemerkte, dass die beiden Diebe, die an den benachbarten Kreuzen hingen, ebenfalls dargestellt worden waren.
Dann trat er zum dritten Feld, vor dem Summer mit einem äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck stand. Darauf war eine gekrönte Frau im Profil zu sehen, die in die obere Ecke des Freskos deutete. Ihr Finger war auf einen aufragenden Berg mit zwei Kreuzen auf seiner Kuppe gerichtet. Die geologischen Eigenheiten des Stavrovouni waren auf dem Bild klar zu erkennen.
»Helena?«, fragte Dirk.
»Das muss sie sein«, erwiderte Summer. »Und jetzt schau mal zum unteren Rand.«
Dirk blickte aufmerksam auf den unteren Teil des Freskos und konzentrierte sich auf eine verblichene blaue Fläche, die das Meer darstellen sollte. Drei Schiffe waren unter Helenas Profil schwach zu erkennen. Ziemlich grob dargestellt, waren die Schiffe etwa gleich groß und wurden durch Ruder und Segel angetrieben. Wenn er richtig hinsah, konnte Dirk erkennen, dass zwei der Schiffe das dritte verfolgten. Er deutete auf die beiden Verfolgerschiffe.
»Das eine scheint mit dem Heck zuerst zu versinken«, sagte er, »während das andere aufs offene Meer zusteuert.«
»Sieh dir mal das Segel des führenden Schiffes an«, sagte Summer.
Dirk musste seine Augen anstrengen, um das Symbol erkennen zu können. Es sah aus wie ein »X« mit einem langbeinigen »P« darüber.
»Das ist das Chi-Ro-Monogramm, das auch von Konstantin benutzt wurde«, erklärte sie. »Es ist das göttliche Zeichen, das ihm wahrscheinlich vor seinem Sieg in der Schlacht bei der Milvischen Brücke im Traum erschienen ist. Er benutzte es als seine Kriegsfahne und als Zeichen seiner Herrschaft.«
»Dann zeigt das Bild entweder Helena mit einer Eskorte bei ihrer Ankunft auf Zypern …«, sagte er.
»Oder es ist Plautius’ Galeere auf der Flucht vor zwei Piratenschiffen«, ergänzte sie und führte seinen Gedanken damit zu Ende.
Eine kleine Scharte im Fresko verdeckte den Weg der Galeere, aber die Fortsetzung der Küstenlinie am unteren Bildrand deutete an, dass sie mit Kurs aufs Land unterwegs war. Knapp über dem Horizont befand sich ein weiteres kleines Bild. Es zeigte eine unbekleidete Frau, die gerade dem Meer entstieg und von zwei Delfinen flankiert wurde.
»Was das bedeuten soll, kann ich mir beim besten Willen nicht zusammenreimen«, sagte Summer, während Dirk das Bild eingehend betrachtete.
In diesem Augenblick ging der mürrische Mönch vorbei, nachdem er ein französisches Touristenpaar durch die Kirche geführt hatte. Dirk winkte ihm und erkundigte sich nach den Fresken.
»Ja, sie sind sehr alt«, erklärte der Mönch. »Die Archäologen schätzen, dass sie aus byzantinischer Zeit stammen. Einige behaupten sogar, dass diese Mauern einst Teile der ursprünglichen Kirche waren. Aber mit Sicherheit weiß das niemand.«
»Dieses letzte Fresko«, fragte Summer, »ist das ein Bild von Helena?«
»Ja«, bestätigte der Mönch. »Sie kam übers Meer und hatte die Vision von der Kirche hier auf dem Stavrovouni.«
»Wissen Sie, wer diese Figur ist?«, fragte sie und deutete auf die nackte Frau.
»Das ist Aphrodite. Sehen Sie, das Kloster wurde auf den Ruinen eines Aphrodite-Tempels erbaut. Der Künstler muss diesen Ort mit seinem Bild gewürdigt haben, ehe Helena den
Weitere Kostenlose Bücher