Wüstenfeuer
Wünsche einen Antiquitätensammler antreiben können. Viele Sammler betrachten kulturelle Altertümer ebenfalls als wertvollen Schatz, was letztlich allen zum Nachteil gereicht. Ihre Papyrusrollen würden auf dem Schwarzmarkt ein kleines Vermögen einbringen. Ich werde mich jedenfalls um einiges besser fühlen, wenn ich weiß, dass Professor Haasis sämtliche Fundstücke sicher zur Universität von Haifa transportiert hat.« Sie sah auf ihre Armbanduhr.
»Ich sollte wirklich ins Lager zurückgehen und unsere abendliche Überwachungsaktion vorbereiten.«
Dirk schenkte ihr ein halbes Glas Wein nach.
»Noch einen Schluck für den Heimweg?«
Sophie nickte und nahm das Glas, während sich Dirk mit seinem eigenen Glas dicht neben sie setzte. Die Brandung donnerte ringsum gegen die Felsen, während sich die Nacht mit ihrer dunkelblauen Dämmerung auf sie herabsenkte. Es war ein erholsamer, romantischer Augenblick, wie es ihn in Sophies Leben schon lange nicht mehr gegeben hatte. Sie sah Dirk von der Seite an und flüsterte: »Tut mir leid, dass ich Sie heute angeschrien habe.«
Er beugte sich zu ihr herab und küsste sie zärtlich. Dabei ließ er sich Zeit, seine Lippen von ihrer Wange zu lösen.
»Du kannst es ja irgendwann später wiedergutmachen«, sagte er.
Sich aneinanderkuschelnd leerten sie ihre Weingläser, bis sich Sophie zwang, ihren gemeinsamen Abend zu beenden. Hand in Hand wanderten sie über den Strand zurück und dann den Hügel hinauf zu ihrem Camp. Eine mit Generatorstrom gespeiste Lampenkette über den Zelten erhellte das Lager mit fahlweißem Licht. Sam saß auf einer Steinmauer und unterhielt sich mit zwei Männern in dunkler Kleidung.
»Ich schlafe im letzten Zelt auf der linken Seite«, sagte Dirk zu Sophie. »Achte darauf, dass die Grabräuber meinen Schlaf nicht stören.«
»Gute Nacht, Dirk.«
»Gute Nacht.«
Dirk beobachtete, wie Sophie zu ihren Kollegen ging, und schlug dann den Weg zu seiner Zeltreihe ein. Ehe er sich für die Nacht zurückzog, machte er einen kurzen Abstecher zu dem Zelt mit den Artefakten, in dem noch Licht brannte. Haasis saß schon wieder am Tisch und beugte sich, mit einem Vergrößerungsglas in der Hand, über eine Papyrusrolle.
»Haben Sie wieder ein Jahrhundertgeheimnis entschlüsselt?«, fragte Dirk.
»Das nicht gerade, aber es ist trotzdem faszinierend.
Kommen Sie, sehen Sie es sich einmal an. Ich denke, es wird Ihnen gefallen.«
Dirk trat näher und blickte über Haasis’ Schulter auf den dünnen Bogen fasrigen Papiers, der mit einer markanten geschwungenen Schrift bedeckt war.
»Das sind böhmische Dörfer für mich«, sagte er mit einem entwaffnenden Grinsen.
»Oh, Entschuldigung«, entgegnete Haasis. »Ich gebe Ihnen eine knappe Übersetzung. Diese Rolle enthält eine Beschreibung von Hafentätigkeiten um circa 330, glaube ich. Die Rede ist unter anderem von einem beschädigten zypriotischen Plünderer, der von einer kaiserlichen römischen Trireme aufgebracht wurde. Das Schiff wurde anschließend nach Caesarea geschleppt, wo die Hafenbehörden zahlreiche Blutspuren an Bord fanden sowie eine Anzahl römischer Waffen. Außerdem hatten viele Mannschaftsmitglieder frische Verletzungen, die auf einen kurz zuvor stattgefundenen Kampf hinweisen.«
»Piraten?«, fragte Dirk.
»Offenbar. Der Vorfall erregte einiges Aufsehen, zumal die persönliche Rüstung eines Centurios namens Plautius an Bord gefunden wurde. Wie sich herausstellte, gehörte er zur
Scholae Palatinae
, was immer das gewesen sein mag.«
»Wahrscheinlich hatte dies keine besonders angenehmen Folgen für die zypriotische Crew.«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Haasis. »Das Schiff wurde requiriert und als Handelsschiff in Dienst genommen, während man die Mannschaft kurzerhand hingerichtet hat.«
»Eine schnelle und drastische Rechtsprechung, das muss man schon sagen«, meinte Dirk und hob einen der Keramikbehälter hoch. »Sind auf allen Rollen solche aufregenden Schilderungen zu finden?«
»Nur für Altertumsfanatiker, wie ich einer bin«, sagte Haasis lächelnd, dann rollte er das Schriftstück zusammen und legte es in eine der Schatullen zurück. »Ich habe mir die meisten Rollen angesehen: Sie enthalten vorwiegend bürokratische Eintragungen wie die Auflistung von eingenommenen Hafengebühren und Ähnliches.
Nichts Ungewöhnliches, aber insgesamt betrachtet erhalten wir auf diese Art und Weise einen wichtigen Einblick in das hiesige Alltagsleben vor zweitausend Jahren.«
Er
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