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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sie, und jede seiner Bewegungen war von vollendeter Anmut. Tallit verspürte die größte Neugierde; viele Fragen brannten ihr auf den Lippen. Aber die Gesetze der Höflichkeit verlangten, einem Fremden gegenüber 6
    Zurückhaltung zu wahren. Und daher benahm sich Tallit, trotz ihrer Ungeduld, wie es sich gehörte. Ab und zu musterte sie heimlich ihren Gastgeber. Das einzige, was sie von ihm sehen konnte, waren seine schön geformten Hände und seine Augen, groß und ziemlich rund; tiefe Sanftheit lag in ihrem Blick, Sanftheit, und vielleicht auch Schmerz. Bald schäumte der Tee in kleinen Silberkelchen, das stärkste und süßeste Getränk, das Tallit bisher gekostet hatte. Sie schlürfte ihn mit Behagen und lobte ihren Gastgeber. Der Mann selbst lüftete beim Trinken seinen blaufunkelnden Schleier nur so viel wie gerade nötig. Endlich war der Höflichkeit Genüge getan; Tallit vermochte ihre Neugier nicht länger zu beherrschen.
    ›Wie heißt du?‹ fragte sie. ›Wo bist du hergekommen? Warum wachst du alleine in der finsteren Nacht?‹
    Der Fremde blieb stumm; auf ihre wiederholten Fragen schüttelte er nur traurig den Kopf. Tallit ließ ihre schwarzen Augen blitzen. Sie gab sich schüchtern, dann verspielt; sie schmeichelte und drohte.
    Nichts half. Weder durch scheinbar naive noch durch gezielte Fragen vermochte sie den Mann zum Reden zu bewegen. Sein hartnäckiges Schweigen entfachte ihre Leidenschaft.
    ›O Fremder!‹ sprach sie. ›Nenne mir deinen Namen, und ich werde noch in dieser Nacht mein Lager mit dir teilen!‹
    Da erhob sich der Mann. Langsam, feierlich, schnallte er seinen silberbeschlagenen Gürtel auf und legte sein Schwert ab. Dann entfernte er seine Brustamulette, sowohl die ledernen als auch die aus schwerem, blinkendem Silber. Ein Messer war mit Lederschlingen um seinen nackten Oberarm befestigt. Der Mann nahm auch dieses ab. Dann warf er seinen stahlblauen Umhang in den Sand, zog die seidene Gandura über seine Schultern. Die Textur des Gewebes flammte auf, durchsichtig wie heller Rauch. Nun löste der Fremde ein geflochtenes Band, ließ mit einer Hüftbewegung seinen Serouel fallen, stieg aus dieser Hülle und trat sie mit Füßen.
    Nackt, in blaues Mondlicht getaucht, stand der Unbekannte nun vor Tallit. Der enträtselte Körper war schöner, als sie es je erträumen konnte. Heftiges Begehren erfaßte die junge Frau. Doch als sie beide Arme um ihn schlang, stieß der Fremde sie von sich, zerrte so heftig den Schleier von seinem Antlitz, daß der Stoff zerriß. Tallit sah, daß der Mann einen Eulenkopf hatte.«
    »Was hat die Geschichte zu bedeuten?« fragte ich Elias. Er legte den Kopf an meine Schulter und sah zu mir empor. Seine Augen waren verträumt.
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    »Ich kann es nicht sagen. Ich habe sie gerade erfunden.«
    »Bist du der Mann mit dem Eulenkopf?«
    »Ich habe eine Vorliebe für solche Geschichten.«
    »Das ist keine Antwort. Da ist ein tieferer Sinn dahinter.«
    »Nein. Es ist einfach eine Geschichte.« Ich legte beide Hände um seinen Hals, umfing seinen sanft geschwungenen Nacken. Wir hielten uns umschlungen, Stirn gegen Stirn. Ich sagte leise:
    »Den Mann mit dem Eulenkopf, den liebe ich.«
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1. Kapitel
    B erufe, die mit dem Film zu tun haben, sind die besten der Welt. Es macht wirklich Freude; bloß arbeitete ich nicht gerne mit vielen Leuten zusammen. Ausstatter, Kostümbildner, Regieassistenten, Cutter, Kameraleute und Helfer haben ihre komplizierten, für meine Begriffe manchmal hysterischen Seelenzustände. Aus diesen und ähnlichen Gründen wandte ich mich beizeiten dem Dokumentarfilm zu. Da hatte ich die Sache besser im Griff. Mein ausgeprägtes Ego wurde beim Filmemachen verbissen. Es mißfiel mir, so zu sein, wie ich war, ein ungeselliger, autoritärer Mensch. Manchmal gelang es mir tagelang, Nachsicht zu üben. Bis mir dann alles zuviel wurde: Ich explodierte und jagte allen Leuten einen gehörigen Schrecken ein. Es gibt Sachen, die muß man einfach tun, und die Folgen in Kauf nehmen.
    »Du machst es dir schwer«, sagte Olivia dazu.
    »Es geht nicht anders. Niemand kann sich vorstellen, wie schwierig es ist, reale Dinge in Bild und Ton umzusetzen. Außerdem ist das Filmemachen ein hartes Geschäft.«
    Selbständig oder in Zusammenarbeit mit der Regie legte ich das Thema fest, recherchierte in Archiven, in Bibliotheken. Dann verfaßte ich das Drehbuch, während ich gleichzeitig meine Vorstellung über Form und Gestaltung entwickelte. Manchmal waren fünf oder

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