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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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schienen fremd und frei erfunden zu sein.
    Wesen eines anderen Sterns.
    Landschaften erwecken im Herzen der Menschen Ehrfurcht, Angst oder Mut. In der Wüste gibt es eine völlige Freiheit. Die Landschaft entfaltet sich endlos, die Grenzen weichen immer weiter zurück. Die Tuareg maßen ihre eigene Größe an der Entfernung, die sie überblicken konnten. Sie gehörten stets der Ferne an, sie war ihr Bereich, selbst wenn in der Hitze Trugbilder glitzerten. Vielleicht entstand daraus die Illusion, für sie seien Begrenzungen nicht gemacht. Und in diesem Punkt wurden sie selbstherrlich. Sie merkten erst allmählich, mit Schrecken und größtem Widerwillen, daß sie ihr Leben ändern mußten.
    »Ob es dir paßt oder nicht, das alles steckt noch in dir«, sagte Fantine.
    Ich konnte es nicht leugnen. Fantine rauchte versonnen. Ich mochte den Duft ihrer Zigarillos.
    »Deine Mutter muß eine ungewöhnliche Frau sein.«
    »Das ist sie. Und zudem ist sie halsstarrig. Es paßt zu ihr, ich kenne sie nicht anders. Und sie ist eine Künstlerin, sie ist launisch. Man legt sich besser nicht mit ihr an.«
    »Und dein Vater?«
    Meine Kehle fühlte sich plötzlich trocken an. Ich schluckte und sagte:
    »Unter uns, Fantine, ich weiß wirklich nicht, was er für sie bedeutete. Sie sprach nicht von ihm. Sogar ich selber habe aufgehört, 22
    nach ihm zu fragen. Weil sie nie etwas sagte… Manchmal glaube ich, daß sie ihn vergessen hat.«
    »Hatte sie etwas gegen ihn?«
    Ihre Frage verwirrte mich. Ich spürte, wie ich leicht errötete. »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn ja kaum gekannt. Und ich habe mir vieles eingeredet. Aber ich glaube, er war anders, als man sich das vorstellt.«
    »Nun«, meinte Fantine, »Mischehen bergen immer ein Risiko.«
    Ich lächelte flüchtig.
    »Jede Ehe, Fantine.«
    »Hast ja recht.«
    Sie legte den Zigarillo auf den Rand des Aschenbechers und blätterte in den Unterlagen, ohne aufzusehen. Auch Fantine war verheiratet gewesen. Sie hatte einen dreizehnjährigen Sohn, Arthur, der ihr die Scheidung übelnahm.
    »Angenommen«, sagte sie, »wir machen den Film…«
    Wir stellten mein Team zusammen. Das Budget sollte nicht überlastet werden. Außerdem wollte ich – wie stets – nur wenige Leute dabei haben. Wenn unterschiedliche Menschen versuchen, ihre Fähigkeiten miteinander zu verbinden, kann etwas Großartiges entstehen, aber es kann auch in einem Chaos enden. Ich konnte mit einem zerstrittenen Team nicht arbeiten. Ich mußte die Kontrolle über den kreativen Prozeß haben, was bedeutete, daß ich auch die Gemeinschaft kontrollieren mußte. Und gleichzeitig mußte ich meinem Team vertrauen. Ich hatte Fantine gesagt, daß ich gerne mit Enrique als Kameramann arbeitete, und sie ließ nachfragen, ob er frei war. Enrique arbeitete bei privaten Videoproduktionsfirmen und beim Fernsehen, war aber freiberuflich, was ihn flexibel machte.
    Dazu kam, daß Enrique Afrika kannte und wußte, welche technische Ausrüstung wir benötigten. In der Wüste herrschten ganz spezielle Bedingungen, was Belichtung, Farben und Kontraste anging.
    Enrique wollte mit seiner Assistentin Thuy reisen, einer Vietnamesin. Thuy sei als Fahrerin ganz hervorragend, betonte Enrique, der heftig in sie verliebt war. Fantine und ich hatten nichts dagegen.
    »Wenn sie gut ist…«
    »Kein Zweifel, sie ist gut.«
    Serge, mein Assistent, stammte aus Avignon. Er hatte diverse, sehr verschiedenartige Berufe ausgeübt und war erst spät zum Film gekommen. Wenn es an irgend etwas fehlte, Serge wußte Rat. Er 23
    sprach mit sanfter, dunkler Stimme; seine Gemütsruhe war selten zu erschüttern. Rocco, der Beleuchter, taugte auch als Mechaniker. Ich mochte ihn eigentlich, aber bei all seiner vergnügten Herzlichkeit war er doch im Grunde ein Hitzkopf.
    Alle hatten eine Kopie des Drehplans erhalten und Zeit gehabt, sich mit dem Thema zu befassen. Ein paar Tage später trafen wir uns in einem Bistro in der Rue de la Roquette. Wir aßen Jakobsmuscheln in Weißwein und Salat mit gegrilltem Ziegenkäse, besprachen Realisationsform und Gestaltung, Material und Budget. Wir gebrauchten vertraute Worte, unsere Gedanken liefen mühelos in die gleiche Richtung. Seit unserer letzten gemeinsamen Arbeit waren Monate vergangen; nach dem Essen bestellten wir einen Calvados und erzählten von uns. Während wir sprachen, wuchs unsere Gemeinschaft wieder zusammen – obwohl wir alle extreme Individualisten waren. Was uns verband, war die gemeinsame Arbeit. Unsere Zukunft

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