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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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verzichten können. Sie wollte gerade weiter in ihn dringen, als er Asifa vor dem größten Haus in der Straße zum Stehen brachte; einem von der üblichen Mauer und Dattelpalmen umgebenen zweistöckigen Gebäude. Irgenwo hinter der Mauer hörte sie Kinderlachen und das leise Plätschern eines Springbrunnens. Die Geräusche weckten eine unbestimmbare Sehnsucht in ihr.
    »Wie willst du deiner Freundin meine Anwesenheit erklären?«, fragte sie, als sie vor der Tür von den Pferden stiegen.
    »Das wird nicht nötig sein«, erwiderte Sulayman. »Sandara kennt die Wahrheit bereits - sie weiß wahrscheinlich mehr als wir.«
    »Wie meinst du das?« Khalidahs Stimme klang scharf.
    »Dies ist nicht der Ort, um darüber zu sprechen.« Sulayman klopfte an die Tür. Sie wurde von einem ungefähr sechsjährigen Jungen geöffnet, einem mageren Bürschchen in teuren Kleidern, die am Morgen zweifellos noch sauber gewesen waren. Bis auf seine großen, von schwarzen Wimpern gesäumten Augen von der Farbe von Palmwedeln wirkte er eher unauffällig. Als er Sulayman sah, strahlte er über das ganze Gesicht und warf sich ihm in die Arme.
    »Du bist zurückgekommen!«, rief er.
    »Wie ich es versprochen habe.« Sulayman küsste ihn auf beide Wangen und stellte ihn wieder auf die Füße. »Daoud ibn Aslam al-Tamur, ich möchte dir Khalidah bint Abd al-Aziz al Hassani vorstellen.«
    Das Kind grüßte höflich, dann platzte es heraus: »Ich dachte, du wärst ein Junge!«
    Khalidah lächelte. »Das solltest du auch denken.«
    »Ist deine Mutter da?«, fragte Sulayman.
    »Ich hole sie gleich«, sagte Daoud. »Kommt herein, und lasst eure Pferde trinken.«
    Er deutete auf einen im Mittelpunkt von vier zusammenlaufenden, mit Kies bestreuten Pfaden gelegenen Springbrunnen, der von Aprikosenbäumen umgeben war. Zwei kleine Mädchen, ein oder zwei Jahre jünger als Daoud, lehnten sich über den steinernen Rand des Beckens und warfen Kiesel in das Wasser. Als Khalidah und Sulayman ihre Pferde zum Brunnen führten, blickten sie auf. Ihre Augen schimmerten so rauchgrün wie die ihres Bruders, und ihre hübschen Gesichter ähnelten sich so sehr, dass Khalidah sie nicht hätte unterscheiden können, hätten sie nicht verschiedenfarbige Kopftücher getragen.
    »Sulayman!«, riefen sie wie aus einem Mund, ehe sie auf ihn zurannten. Er fing jede mit einem Arm auf und küsste sie.
    »Wie hast du es nur geschafft, diese Kinder so zu bezaubern?« Khalidah nahm den Pferden das Zaumzeug ab.
    »Sie haben mich bezaubert.« Sulayman ließ sich mit einem kleinen Mädchen auf jedem Knie auf dem Rand des Brunnens nieder. »Das sind Daouds Schwestern Madiha und Maliya.« Zu den Zwillingen sagte er: »Das ist Khalidah.«
    Khalidah nickte den beiden zu, dann schöpfte sie mit den Händen Wasser aus dem Brunnen und trank ebenso gierig wie die durstigen Pferde. Plötzlich fiel ein Schatten über sie. Sie drehte sich um und sah eine Frau zwischen sich und Sulayman stehen. Sie war groß und schlank und von Kopf bis Fuß in schwarze Gewänder gekleidet. Ein schwarzer Schleier verbarg ihr Gesicht so vollständig, dass ihre Züge nicht zu erkennen waren. Sie beugte sich vor und nahm Sulayman die zappelnden Mädchen ab, dann musterte sie ihn schweigend. Zumindest hatte es den Anschein: Der Schleier machte es unmöglich, genau zu sagen, worauf sie den Blick richtete.
    Mit einer leisen, süßen Stimme sagte sie: »Ich freue mich so, dass du zurückgekommen bist, Sulayman.« Beim Sprechen flatterte der Schleier wie ein Blatt im Wind. »Und du, Kind …« Sie wandte sich  an Khalidah. Jetzt schien ihre Stimme zwischen ungläubiger Verwunderung und erstickten Tränen zu schwanken. »Ist es möglich, dass du Brekhnas Tochter bist?«
    Khalidah spürte plötzlich eine überwältigende majestätische Würde, die diese verschleierte Frau ausstrahlte; dasselbe Gefühl, das sie überkommen hatte, als sie Sulayman zum ersten Mal begegnet war. Brauche ich so dringend eine Leitfigur, dass ich jedem Fremden gleich unterstelle, von königlichem Blut zu sein?, fragte sie sich ärgerlich, aber ein Teil von ihr wusste es besser; ahnte vielleicht schon die Wahrheit.
    »Ja, die bin ich«, antwortete sie.
    Ein Nicken, und hinter dem Schleier blitzte ein grünes Auge auf. Sandara setzte die Zwillinge ab, und zu Khalidahs Schock und abgrundtiefer Verlegenheit kniete sie anmutig vor ihr nieder. »Ya hala, Khalidah bint Brekhna bint Tor Gul Khan, as-salaamu’aleikum. Du bist im Haus deiner ergebenen

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