Wuestentochter
Dienerin Sandara bint Arzou al-Dschinn immer willkommen.«
Während der üppigen Mahlzeit, die Sandara für ihre Gäste und ihre Kinder unter den Aprikosenbäumen aufgetragen hatte, erzählte sie Khalidah von ihrer Kindheit in Qaf, das sie zum ersten und einzigen Mal mit einem Kriegerbatallion unter dem Kommando eines persischen amir verlassen hatte, um einen Disput um Ländergrenzen zu schlichten.
»Damals wusste ich es noch nicht, aber ich sollte meine Heimat nie wiedersehen.« Ihre Stimme glich sanft fallendem Regen. »Wie deine Mutter heiratete ich einen Stammesfremden und wurde ausgestoßen.«
»Wo ist dein Mann jetzt?«, fragte Khalidah.
»Tot.« Sandaras Ton verhärtete sich unmerklich, nur einen Moment lang, doch als sie weitersprach, meinte Khalidah noch den Nachhall dieser Härte zu hören. Sandara erzählte von dem Tuchhandel, der ihr und ihrer Familie ein gutes Auskommen bescherte; von den Gärten, die sie selbst pflegte und auf die sie sehr stolz war; von den Kindern, ihrer größten Freude. Doch unter ihrer Lebensgeschichte verbarg sich etwas, was Khalidah so schwarz vorkam wie ihre Witwengewänder. Sie brannte darauf, den Grund dafür zu erfahren, wagte aber nicht zu fragen.
Nach dem Essen brachte Sandara die Kinder zu Bett. Sowie sie außer Hörweite war, wandte sich Khalidah an Sulayman. »Was für ein Geheimnis verbirgt sie?«
»Das muss sie dir sagen, nicht ich.« Sulayman begann seine qanun zu stimmen.
»Ich mag keineAusflüchte«, murrte sie, wohl wissend, dass ihr eigentlich die Ehrfurcht missfiel, mit der Sulayman die ältere Frau behandelte.
»Die Wahrheit wird dir noch viel weniger gefallen«, gab Sulayman zurück.
Khalidah nippte an ihrem Tee, sah zu, wie die Sterne hinter den Bäumen aufgingen und grübelte über seine Antwort nach, bis Sandara mit einer Laterne und einer Kaffeekanne zurückkehrte. »Du tust ihnen gut, Sulayman«, sagte sie, als sie die Laterne neben seinem Knie abstellte und sich niederkniete, um Kaffee einzuschenken. »Sie kommen selten mit Männern in Kontakt, eigentlich mit kaum einem Menschen außer mir. Es ist ein trauriges Leben für sie. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht besser nach Qaf zurückkehren sollte … mein Vater würde zwar mich nicht wieder aufnehmen, aber seine Enkelkinder bestimmt.« Sie seufzte. »Ich sollte es tun, zu ihrem Besten. Aber ich ertrage die Vorstellung nicht, von ihnen getrennt zu sein.« Ihr Lachen glich eher einem Schluchzen. »Was für eine schlechte Mutter ich bin. Schwach und eigensüchtig …«
Khalidah schämte sich plötzlich für ihre Eifersucht, so gequält klang die Stimme der Frau. Sie tastete im Dunkeln nach Sandaras Hand, die diese ergriff und geradezu verzweifelt umklammerte. »Spiel etwas, Sulayman«, bat sie. »Spiel etwas, ehe wir alle in meinem Selbstmitleid ertrinken.«
»Gerne«, willigte er ein. »Und ich hoffe, Khalidah wird singen.« Khalidah nickte nur stumm.
Sie trugen Chauras’ Klage vor, und vielleicht lag es an Sandaras Kummer oder der friedlichen Nacht oder schlichtweg an der Aussicht auf ein baldiges Ende der Reise, aber Khalidahs Stimme klang seelenvoller und süßer, Sulaymans Spiel zu Herzen gehender als je zuvor. Als sie zum Ende kamen, war die Nacht hereingebrochen, der Garten ein Meer von Schatten, die um die Öllampe herumtanzten.
»Ich danke euch beiden«, brach Sandara das Schweigen. »Ich weiß, dass ihr einen Teil von euch gegeben habt, um meinen Schmerz zu lindern, und im Gegenzug, Khalidah, werde ich dir erzählen, was du wissen möchtest, obwohl ich glaube, dass es dich verletzen wird.« Sie hielt inne, dann fuhr sie fort: »Ich habe dir den größten Teil meiner Geschichte anvertraut, dir aber etwas bislang verschwiegen. Als junges Mädchen war ich nicht nur eine viel versprechende ghazi, sondern auch sehr schön. Zumindest sagte man das von mir, obwohl es mich damals wenig interessierte … oder ich redete mir das zumindest ein. Aber vielleicht habe ich doch unbewusst in meiner Schönheit geschwelgt, statt sie als das Geschenk zu betrachten, das sie war.« Sie schüttelte den Kopf.
»Es war meine Schönheit, die Aslam zu mir hinzog. Ich wusste das, aber ich war zu jung und naiv, um zu begreifen, dass sie für ihn zugleich auch meinen einzigen Wert ausmachte. Er war der einzige Sohn einer reichen Familie; gewöhnt, schöne Dinge zu besitzen, und genau darin bestand das Problem. So pflichtbewusst und gehorsam eine Frau auch sein mag, sie ist dennoch ein eigenständiger
Weitere Kostenlose Bücher