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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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war die Dämmerung hereingebrochen; Salims Augen lagen im Schatten verborgen, doch Bilal wusste, was er darin lesen würde: Güte, Weisheit und aufrichtige Liebe. »Salim«, flüsterte er. »Wie kann ich dir nur jemals …«
    »Indem du diesen Satz nicht zu Ende führst«, unterbrach Salim, »weder jetzt noch sonst irgendwann. Ich will keine Dankbarkeit von dir, Bilal, ich will dich nur lieben, solange Allah uns gnädig ist.«
    Bilal erwiderte nichts darauf, sondern streckte nur die Hand nach ihm aus, während die ersten Sterne am Himmel zu funkeln begannen.
     Viel später lag Bilal schlaflos auf seinem Lager und lauschte dem Heulen des Windes, das wie das Klagelied einer verdammten Seele klang. Der Frieden, der ihn während der letzten Stunden erfüllt hatte, war einer nervösen Unruhe gewichen, denn wenn der Wind einmal kurz nachgelassen hatte, hatte er ein Geräusch gehört, bei dem es sich eigentlich nur um ein Produkt seiner Fantasie handeln konnte: den pfeifenden Ruf eines Wüstenfalken. Es war ein Laut, der ihm Erinnerungen an die Zeit in dem Wadi bei Kerak zurückbrachte - auf diese Weise hatte sein Vater ihn stets zu ihren heimlichen Treffen befohlen. Endlich gab er es auf, die Pfiffe ignorieren zu wollen, und löste sich aus Salims Armen. Dieser murmelte etwas Unverständliches, seine Finger tasteten ins Leere, dann wurde er wieder vom Schlaf übermannt. Bilal stieß den Atem aus, den er unbewusst vor Anspannung angehalten hatte, zog die Decke über Salim, streifte eine Tunika über, griff nach der Lampe, die neben der Zeltklappe brannte, und trat in die Nacht hinaus.
    Nach ein paar Schritten sah er ihn; er stand regungslos wie eine Statue da, während der Wind an seinem weißen Mantel zerrte. Eine Weile musterten sie sich wie einander feindlich gesonnene Hunde, die nicht sicher waren, ob sie angreifen oder sich unterwerfen sollten. Endlich wandte sich de Ridefort ab und schritt zu einem Felsvorsprung hinüber, unter dem sein Pferd in einer niedrigen windgeschützten Höhle wartete. Bilal folgte ihm in sicherem Abstand.
    »Du bist gewachsen«, stellte de Ridefort endlich sachlich fest.
    »Ich bin gewachsen?«, wiederholte Bilal ungläubig. »Seid Ihr hierhergekommen, um mir das zu sagen? Wisst Ihr, dass Ihr Euch im  Lager des Sultans befindet? Seine Wachposten schlafen nie, und wenn sie Euch entdeckt hätten …«
    »Was dann, Bilal? Hast du vergessen, dass ich ein Verbündeter des Sultans bin? Oder weißt du vielleicht etwas, was ich nicht weiß?«
    In jedem Wort des Großmeisters schwangen Ironie und eine unmissverständliche Herausforderung mit. Bilal setzte zu einer Antwort an, dann schloss er den Mund wieder und schüttelte den Kopf. Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen. Wieder studierte de Ridefort das Gesicht seines Sohnes, und Bilal beschlich das beunruhigende Gefühl, dass er darin nach etwas ganz Bestimmtem forschte.
    Abrupt fragte der Ritter: »Warum schläfst du im Zelt des Prinzen?«
    »Woher wisst Ihr davon?«, gab Bilal zurück und wünschte sofort, er hätte den Mund gehalten. Aber er konnte die Worte nicht zurücknehmen.
    Ein verächtliches Lächeln spielte um de Rideforts Lippen. »Ich weiß ›davon‹, weil ich deine Truppe viele Tage lang von meinen Männern verfolgen ließ … und ich muss sagen, dass mir das, was man mir über dein Verhalten zugetragen hat, ganz und gar nicht gefällt - von deiner Beziehung zu dem Sohn des Sultans ganz zu schweigen.«
    »Warum fragt Ihr denn, wenn Ihr ohnehin schon alles wisst?«
    »Weil ich die Antwort von dir selbst hören wollte.«
    »Und was entnehmt Ihr aus meiner Antwort?«, fragte Bilal mit einem trotzigen Mut, von dem er bis zu diesem Moment nie gedacht hätte, ihn aufbringen zu können.
    »Dass du dich auf gefährlichem Eis bewegst. Was bedeutet dir dieser Salim?«
    Bilals erster Impuls bestand darin, ihm entgegenzuschleudern, das ginge ihn nichts an, aber irgendwie kam ihm eine solche Antwort wie ein Verrat an Salim vor; so, als schäme er, Bilal, sich für die Wahrheit. Also griff er zu Salims eigenen Worten. »Er ist das Herz meines Herzens.«
    Der Ausdruck auf de Rideforts Gesicht hätte ausgereicht, um einen kampferprobten Soldaten erbleichen zu lassen, doch Bilal zuckte mit keiner Wimper. »Dreckiger kleiner Ungläubiger«, murmelte de Ridefort endlich, was seinem Sohn ein Lächeln entlockte.
    »Wenn du so denkst, abatah, dann entlass mich aus deinen Diensten, und wir können fortan so tun, als wären wir uns nie

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