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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Ende griffen die lateinischen Staaten, für die die Burg sehr wichtig war, ein, und der Leprakönig kam Kerak mit seiner Armee zu Hilfe. Da Saladin bezweifelte, dass seine Truppen dieser Übermacht gewachsen waren, zog er sich gen Norden zurück.
    Es war eine Entscheidung, die er bitter bereuen sollte, als eine zweite Belagerung ein Jahr später ebenfalls fehlschlug, Arnat immer dreister und der Widerstand gegen ihn immer schwächer wurde. Jetzt ritt der Sultan bewusst langsam Richtung Süden, um sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen. Doch als die Burg wie eine Warze auf der Linie des Horizonts in Sicht kam, wusste er immer noch nicht, auf welchem Weg sie sich am besten einnehmen lassen würde.
    »Die Franken haben während der hundert Jahre, die sie in unserem Land leben,viel dazugelernt«, meinte der Sultan an diesem Abend in seinem Zelt zu seinen umara. »Sie verlassen ihre Festungen nicht ohne triftigen Grund und schon gar nicht, wenn die Umstände ungünstig sind. Durch unsere Überfälle haben wir ihnen nun einen Grund geliefert, jetzt gilt es, sie davon zu überzeugen, dass die Umstände zu ihren Gunsten sprechen. Deshalb werde ich sie selbst zum Kampf herausfordern und nur meine Leibwache und die meines Sohnes mitnehmen.«
    Er gebot den Einwänden der umara mit erhobener Hand Einhalt und fuhr fort: »Der Rest der Division wartet, bis die Franken aus ihrer Deckung kommen, und dann werdet ihr so blitzschnell und erbarmungslos zuschlagen, wie ihr es bei euren anderen Überfällen getan habt.«
    Und so geschah es. Saladin brach beim ersten Tageslicht auf, flankiert von seiner eigenen und Salims Leibgarde. Bilal ritt mit an der Spitze der Abteilung und betrachtete die Burg mit einer Art unbeteiligter Wachsamkeit, als sie vor ihm auftauchte. Da waren der Turm und die Mauer, die er so gut kannte, dort das große Tor, durch das er einst als Verbündeter der Franken geritten war. Doch jetzt war das Fallgitter hochgezogen, und im hellen Licht glichen die Schießscharten gefletschten Fängen und die zinnenbewehrte Brustwehr einem lückenhaften Gebiss. Die Soldaten strömten mit ihren Frauen und ihren Huren auf die Mauer, um den armseligen Trupp, der sich da eingefunden hatte, herauszufordern und mit Hohnrufen zu überschütten.
    Der Garnisonshauptmann, ein korpulenter Mann mit einem Gesicht wie ein bleicher, stoppeliger Pudding, ritt ihnen mit einer Hand voll Kavalleristen entgegen. Auf das salaam des Sultans erwiderte er durch einen Dolmetscher: »Was wollt ihr?«, und zwar in einem Ton, der durchblicken ließ, dass er lieber wieder im Turm sitzen und den Wein seines abwesenden Herrn trinken würde.
    »Das fragst du noch?«, gab Saladin verächtlich zurück. »Siehst du den Rauch eurer brennenden Dörfer nicht? Haben deren Bewohner nicht bei dir Zuflucht gesucht?«
    »Beides trifft zu.« Diesmal klang die Stimme des Hauptmanns merklich kühler.
    »Also dann: Ich bin gekommen, um mit euch zu verhandeln.«
    Der Franke schnaubte geringschätzig. »Wer will denn hier verhandeln?«
    Der Sultan sah ihn mit seinen goldbraunen Augen so lange an, bis der Ritter den Blick senkte. Dann sagte er in ruhigem Konversationston: »Die Nachrichten von den Gräueltaten deines Herrn reisen weiter, als dir vielleicht bewusst ist - bis nach Kairo, um genau zu sein. Mein Bruder befehligt die dortige Armee. Du hast sicher schon von ihm gehört; man nennt ihn Al-Adil, ›den Gerechten‹, und das nicht ohne Grund. Er wartet in Ayla, um Arnat zur Rechenschaft zu ziehen, falls er sich nicht freiwillig stellt.«
    »Arnat ist nicht hier«, höhnte der Franke.
    »Glaubst du wirklich, das wüsste ich nicht?«, fragte Saladin mit leiser, erbarmungsloser Stimme. »Glaub mir, ich weiß alles über eure momentane Situation und noch einiges mehr, was ihr nicht wisst. Wirst du dir jetzt meine Bedingungen anhören?«
    »Es wird keine Verhandlungen geben!«, brüllte der Offizier mit wutrotem Gesicht. Der verdutzte Dolmetscher zögerte einen Moment, dann übersetzte er die Worte.
    »Wie du willst.« Saladin hielt den Hauptmann in seinem hypnotischen Blick gefangen, sodass der Mann gar nicht bemerkte, wie er sein Schwert zog. Erst als die Klinge vor ihm auf blitzte, begriff der fränkische Ritter, dass Verhandlungen nie in der Absicht des Sultans gelegen hatten.
    Danach lief alles reibungslos. Der über den Boden rollende Kopf des käsegesichtigen Offiziers lockte einen Kavallerietrupp aus dem Burghof, über den die Mamlukenbogenschützen und die

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