Wuestentochter
Sultans gen Süden auf.
Ein zweitägiger Ritt hätte sie nach Kerak gebracht, doch statt dessen schlug der Sultan einen Zickzackkurs ein und schickte einen Trupp nach dem anderen zwecks blitzartiger Überfälle über die Grenze in das fränkische Territorium. Diese Verzögerungen zerrten an Salims Nerven; er brannte nach seinem Sieg in Amman darauf, sich erneut im Kampf zu behaupten, und als die Tage verstrichen, begann sogar Bilal die Ankunft in Kerak herbeizusehnen, damit die Langeweile endlich ein Ende hatte, obwohl er Salims Lust am Blutvergießen nicht teilte. Doch Saladin begegnete dem Drängen seines Sohnes nur mit einem ruhigen, nachsichtigen Lächeln.
»Um Al-Quds zurückzugewinnen müssen wir die Franken in einen Kampf verstricken, und zu diesem Zweck müssen wir sie aus ihrer sicheren Festung herauslocken«, erwiderte er. »Und Amman hat dich ja gelehrt, dass die Franken ihre Festungen nicht gern verlassen, schon gar nicht, wenn es sich um die ihrer Heiligen Stadt handelt.« Er hielt inne. Sein Blick wanderte zum Horizont, wo der Sand auf den Himmel traf. »Aber mein bei weitem größtes Problem besteht darin, meiner eigenen Armee in der Zwischenzeit Beschäftigung zu verschaffen.«
»Du schickst sie auf Raubzüge, nur damit sie beschäftigt sind?«
»So ist es.«
Der Sultan hatte in der Ferne eine Staubwolke erspäht, nicht größer als der Rauch einer erlöschenden Lampe, aber er wusste, dass sie einen weiteren Sieg ankündigte. Endlich drehte er sich zu seinem Sohn um, der voller Eifer auf seine Befehle wartete, und zum ersten Mal fiel ihm auf, wie sehr Salim seiner Mutter ähnelte. Als einziges Kind eines persischen amir war sie für das Leben in einem Harem denkbar ungeeignet gewesen; sie war an Unabhängigkeit und Respekt gewöhnt und hatte sich in die Haremshierarchie nie einfügen können. Obwohl er sie eine kurze Zeit lang leidenschaftlich geliebt hatte, wünschte Saladin jetzt, er hätte sie nie angerührt. Er hätte wissen müssen, dass ein Sohn von ihr ihm das Herz brechen würde.
»Und wie jede gute Taktik dient auch diese mehr als nur einem Zweck«, fuhr er endlich fort. »Unsere Erfolge hier halten die Männer bei Laune und machen denen Mut, die in Ras al-Mai zurückgeblieben sind. Aber der wichtigste Grund dafür, dass wir nicht auf direktem Wege nach Kerak reiten, lautet, dass ich Nachricht von Al-Adil habe.«
Bei der Erwähnung des Bruders seines Vaters, des atabegs von Ägypten, hob Salim den Kopf. »Schließt er sich unserer Armee an?«
Der Sultan lächelte ihm anerkennend zu. »Sie sind bereits unterwegs und sollten in einer Woche in Ayla eintreffen. Mit seiner Hilfe und der Gnade Allahs könnten wir nicht nur eine Burg, sondern eine ganze Provinz erobern. Dafür lohnt es sich doch, sich ein paar Tage in Geduld zu fassen, findest du nicht auch?«
Salims Augen leuchteten vor freudiger Erregung auf, und der Sultan sah ihm mit besorgt gerunzelter Stirn nach, als er davoneilte - zweifellos, um dem Beduinenjungen alles zu erzählen. Diese plötzliche Vertrautheit der beiden behagte ihm gar nicht - nicht wegen der Natur ihrer Beziehung, sondern weil er sich noch nicht sicher war, ob er dem Jungen trauen konnte. Doch dies war nicht die eigentliche Quelle seiner momentanen Sorgen. Er dachte über den anderen Grund für sein Zögern in Bezug auf Kerak nach, den wichtigsten und zugleich beschämendsten Grund: Zweifel am Gelingen seiner Mission. Denn Saladin hatte Kerak schon früher angegriffen, und so sehr seine Chronisten auch versuchten, die Dinge zu beschönigen … die schlichte Wahrheit lautete, dass er gescheitert war.
Dieser frühere Feldzug hatte im Großen und Ganzen fast so begonnen wie der jetztige. Arnat hatte eine Pilgerkarawane zu viel überfallen, und der Sultan hatte die Geduld verloren und war mit seiner Armee gen Süden gezogen, um dem unverschämten Prinzen eine Lektion zu erteilen. Als er die Burg erreichte, stellte er fest, dass sie von fränkischen Edelleuten wimmelte, die sich eingefunden hatten, um an der Hochzeit von Arnats Stiefsohn, dem sechzehnjährigen Humphrey IV. von Toron mit der elfjährigen Prinzessin Isabella von Jerusalem teilzunehmen. Trotzdem belagerte Saladin die Burg, aber da einzig und allein Arnat das Ziel seiner Rache war, hielt er seine Artillerie von den Gemächern der Kindbraut fern. Alles lief relativ zivilisiert ab - Keraks Burgherrin Stephanie de Milly schickte sogar Portionen des Hochzeitsmahls zu seinen Männern hinaus - doch am
Weitere Kostenlose Bücher