Wuestentochter
Salim ibn Yusuf al-Ayyubi«, antwortete der junge Mann mit einem weiteren Neigen des Kopfes. Aber er senkte das Kinn nicht eine Spur tiefer, als es die Höflichkeit gebot.
In der Tat ein Sohn des Sultans, dachte Tripolis, und der Einzige, den ich bislang gesehen habe, der seines Vaters würdig ist. Aber es empfahl sich, den Jungen nicht merken zu lassen, wie beeindruckt er von ihm war. Also nahm er wieder Platz, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fragte: »Was führt dich zu mir, Salim ibn Yusuf?«
Ein leises Lächeln spielte um die Lippen des Jungen, und jetzt war die Familienähnlichkeit nicht mehr zu übersehen. »Ich komme an Stelle meines Bruders Al-Afdhal und überbringe Euch eine Botschaft meines Vaters.« Er reichte dem Grafen einen Brief mit dem Siegel des Sultans. »Er bittet demütigst, dass Ihr einigen seiner Truppen gestattet, Euer Herrschaftsgebiet zu durchqueren, damit sie die Ufer des Sees Genezareth und das dahinter gelegene Gebiet rund um Akkon erkunden können.«
An deinem Vater ist kein einziger demütiger Zug zu finden, und an dir auch nicht, dachte Tripolis. Laut sagte er: »Wie ich hörte, hält sich Euer Vater noch immer in Oultrejourdain auf.«
»Bei allem Respekt, Messire … dirigiert nicht auch Euer eigener König seine Armee hierhin und dorthin, ohne sie persönlich anzuführen?«
Touché, dachte Tripolis. »Wie viele Männer umfasst dieser Trupp?«
»Siebentausend«, erwiderte Salim, als sei es das Normalste auf der Welt, dass Saladin ein Viertel seiner Armee auf eine Erkundungsmission schickte.
Tripolis ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. »Ich nehme an, dieser ›Auf klärungstrupp‹ wird bewaffnet sein«, sagte er nach einem Moment.
»Jeder Mann trägt in diesen unsicheren Zeiten Waffen«, erwiderte der Prinz glatt. »Aber mein Vater hält viel von Euch, Sayyid, und wie Ihr wisst, ist er ein Ehrenmann. Er wird sich an Euer Abkommen halten.«
Tripolis überlegte kurz. Der hastig geschlossene Waffenstillstand zwischen ihm und Saladin enthielt keine Klauseln bezüglich reiner Selbstverteidigung, und dieses Anliegen war bestenfalls ungewöhnlich, schlimmstenfalls ein abgekartetes Spiel. Mit einem Mal stieg Wut in ihm auf: auf den Sultan, der ihn so unter Druck setzte; auf den Jungen, der eine derart anmaßende Forderung mit der größten Selbstverständlichkeit vortrug, und vor allem auf sich selbst, weil seine Starrköpfigkeit und sein Stolz ihn in diese missliche Lage gebracht hatten und weil er schon wusste, wie die ganze Sache ausgehen würde. Kraft der Bedingungen des Waffenstillstandes konnte er dem Sultan seine Bitte nicht abschlagen, aber die hiesigen christlichen Garnisonen würden das als Affront auffassen. Sie würden in ihrem heiligen Zorn die Muslime angreifen und vernichtend geschlagen werden, was wiederum Wasser auf die Mühlen der lateinischen Edelleute sein würde, die Tripolis für einen Verräter hielten. Dann bliebe ihm keine andere Wahl, als vor ihrem Schwachkopf von König zu kapitulieren oder sich ganz von den lateinischen Staaten loszusagen - was er sich trotz allem Respekt vor Saladin nicht erlauben konnte.
Er sah den Prinzen lange an, während er nach einem Ausweg suchte, obwohl er wusste, dass es keinen gab. Endlich sagte er: »Richtet Eurem Bruder aus, dass ich dem Sultan seine Bitte gewähre - aber nur unter der Bedingung, dass seine Männer mein Herrschaftsgebiet vor Einbruch der Dunkelheit wieder verlassen haben und dass sie weder meinen Untertanen noch meinem Besitz Schaden zufügen.«
Und in dem triumphierenden Lächeln des Prinzen sah Tripolis seinen eigenen Untergang.
Tatsächlich war das Unheil an diesem Tag schon näher, als der Graf ahnte, denn am Morgen zuvor waren die Hofabgesandten, die Tripolis erwartet hatte, von Jerusalem nach Tiberias aufgebrochen. Diese Entscheidung war das Ergebnis eines langen, erbitterten Machtkampfes. Die meisten Edelleute hatten sich dafür ausgesprochen, Tripolis auf diplomatischem Wege an den Verhandlungstisch zu bringen, aber de Ridefort und Kerak, die Tripolis’ Grafschaft den ganzen Winter über mit Überfällen heimgesucht hatten, hatten an der Überzeugung festgehalten, der Graf sei ein Verräter, den man exekutieren und nicht umschmeicheln müsse.
Am Ende hatte sich das gemäßigte Lager durchgesetzt, aber die Stimmung unter den davonreitenden Abgesandten wurde von einer unterschwelligen Unsicherheit geprägt. Zum größten Teil lag dies an de Ridefort. Zwar hatte sich Guy - auf
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