Wuestentochter
dem Gebiet der Diplomatie ein hoffnungsloser Fall - überreden lassen, daheimzubleiben, und Kerak war verärgert davongestapft, aber de Ridefort hatte sich nicht davon abbringen lassen, an der Mission teilzunehmen. Überdies ritt er trotz der Gegenwart so vieler Gleich- und Höhergestellter - Roger des Moulins, des Großmeisters der Hospitaliter; Joscius, des Erzbischofs von Tyrus; Renaud, des Herrschers von Sidon und des mächtigen freireligiösen Ritters Balian d’Ibelin - unbeirrt an der Spitze des Trupps. Statt ihn wegen dieser arroganten Anmaßung scharf zu tadeln, unterließen es diese Männer sogar, ihre Pferde an seine Seite zu lenken. Aus bitterer Erfahrung wussten sie, dass man de Ridefort am besten in Ruhe ließ, wenn er wütend war, und so aufgebracht wie jetzt hatten sie ihn noch nie erlebt.
Als die Abgesandten des Königs Galiläa erreichten, pochte die Ader, die Bilal schon bei ihrer ersten Begegnung an de Rideforts Schläfe aufgefallen war, so heftig, dass es für jedermann sichtbar war. Balian d’Ibelin und Renaud von Sidon hatten sich unter dem fadenscheinigen Vorwand, andere Angelegenheiten von höchster Dringlichkeit würden ihre Anwesenheit erfordern, von der Gruppe getrennt und waren ihrer Wege gegangen. Und als die restlichen Mitglieder des Trupps in der Festung La Feve eintrafen, mussten sie feststellen, dass es auch hier vieles zu erledigen gab, was keinen Aufschub duldete. Doch nur Jacques de Mailly war zugegen, als sein Großmeister Tripolis’ Brief erhielt.
Er enthielt nichts, was de Ridefort nicht bereits wusste. Von dem Moment an, wo Tripolis alle von seiner Abmachung mit dem Sohn des Sultans in Kenntnis gesetzt hatte, hatte sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet, und Guys Abgesandte hatten schon ein Dutzend mehr oder weniger blumig ausgeschmückte Versionen der Ereignisse auf der Straße nach Norden gehört. Dennoch lief de Ridefort beim Lesen des Briefes so wutrot an, als träfen ihn diese Neuigkeiten vollkommen überraschend. Am Ende zerknüllte er den Pergamentbogen in der Faust und stieß dabei einen Schwall wilder Verwünschungen aus, für die er seine Ritter mit Peitschenhieben hätte bestrafen lassen, hätten sie es gewagt, solche Worte in den Mund zu nehmen.
»Verräterischer Sohn einer Sarazenenhure!«, schloss er, obwohl er wusste, dass Tripolis’ Mutter in Wirklichkeit einer angesehenen französischen Familie entstammte. De Mailly, der ahnte, dass das noch nicht alles war, wartete geduldig ab, und einen Moment später belohnte de Ridefort diese Voraussicht mit einem gebellten: »Wo ist des Moulins?«
De Mailly wusste, dass der Hospitalitergroßmeister kurz nach ihrer Ankunft in der Festung mit einer jungen und ausnehmend hübschen Dienstmagd verschwunden war, hielt es aber nicht für ratsam, de Ridefort, der des Moulins ohnehin feindselig gegenüberstand, dies mitzuteilen. Also erwiderte er nur: »Ich werde ihn suchen gehen?«
»Und zwar sofort«, schnaubte de Ridefort. »Und schickt einen Diener mit Wein zu mir!«
»Messire.« De Mailly verneigte sich und sah zu, dass er fortkam.
Als er in den Hof hinaustrat, bekam er die Auswirkungen zweier anstrengender Tage mit einem Schlag zu spüren. Er hätte alles dafür gegeben, in sein Bett kriechen und ein paar Stunden schlafen zu können, statt des Moulins von seinem Lotterlager hochjagen zu müssen. Während er sich zu erinnern versuchte, durch welche Tür der Hospitalitergroßmeister geschlüpft war, nahm sein Gesicht einen so grimmigen Ausdruck an, wie es ihm überhaupt möglich war. Zwar wusste er nicht, was de Ridefort im Schilde führte, aber er zweifelte nicht daran, dass es mit einem beträchtlichen Blutvergießen enden würde.
Seufzend begann er an die einzelnen Türen zu hämmern, bis er endlich ein barsches »Oui« hörte, auf das ein Fluch und dann ein Geräusch folgten, als sei jemand aus dem Bett gefallen.
»Ich bin es, de Mailly«, sagte er. »De Ridefort wünscht Euch zu sehen.«
»Und ich wünsche mir nichts weniger«, grollte des Moulins. Einen Moment später fügte er hinzu: »Sagt ihm, ich komme gleich.«
Eine Pause entstand, dann erklang das gedämpfte Lachen eines Mädchens, in das sich das von des Moulins mischte.Wieder seufzte de Mailly. Er verurteilte des Moulins für seine lüsternen Vorlieben nicht; zum einen, weil derartige Dinge in allen christlichen Orden an der Tagesordnung waren, obwohl die Regel sie strikt untersagte; zum anderen, weil er die Ansicht vertrat, dass jeder
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