Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
Vom Netzwerk:
nachgrübelte. Seltsamerweise war sie nun, wo er ihr Vorhaben gebilligt hatte, nicht mehr so sicher, ob ihr Weg wirklich der richtige war.
    »Er sagt, wer gehen will, kann gehen, und zwar mit seinem Segen«, erwiderte sie endlich.
    Abi Gul sprang auf und klatschte wie ein Kind in die Hände. Ihr Gesicht glühte vor freudiger Erregung. »Kann ich es gleich den anderen sagen?«
    Khalidah musste angesichts der Begeisterung ihrer Freundin unwillkürlich lächeln; sie wünschte nur, sich davon anstecken lassen  zu können. »Natürlich - und beeil dich. Wir müssen so schnell wie möglich aufbrechen, wenn wir die Armee des Sultans rechtzeitig erreichen wollen.«
    Abi Gul winkte ab. »Darüber mach dir keine Sorgen - wir kennen Wege, um schnell vorwärtszukommen, wenn es nötig ist.« Und mit dieser rätselhaften Versicherung stürmte sie den Hügel zum Schlafsaal empor, um die Neuigkeiten bekannt zu geben.
    Sulayman hatte Khalidah während dieses Wortwechsels scharf beobachtet, und sowie Abi Gul außer Hörweite war, sagte er: »Das war noch nicht alles - bei weitem nicht, wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute.«
    Khalidah sah ihn an. Er hatte mit dem gut genährten, bärtigen, die einstudierte Unterwürfigkeit eines klugen Dieners an den Tag legenden Spielmann, der Abd al-Hadi vor so vielen Monaten in das Lager ihres Vaters begleitet hatte, kaum noch etwas gemeinsam. Jetzt war er nach Art der Dschinn-Männer glatt rasiert, trug sein Haar unter dem  pakol kurz geschoren, und selbst seine Züge ähnelten mittlerweile denen der Dschinn; sie wirkten, als seien sie von Felsen und dünner Luft geformt und wiesen ihn als Bewohner dieser abgelegenen Berge aus. Nur seine Augen hatten sich nicht verändert, sie waren nach wie vor schwarz, humorvoll, intelligent und mitfühlend. Als er sie aufmunternd anlächelte, brach Khalidah unverhofft in Tränen aus.
    Sulayman nahm sie in die Arme und ließ sie weinen, ohne Fragen zu stellen oder zu versuchen, sie zu trösten. Nach einiger Zeit beruhigten sie das leise Gurgeln des Flusses und die Wärme seiner Arme so weit, dass sie ihm erzählen konnte, was Tor Gul Khan ihr gesagt hatte. Die Geschichte mit ihren eigenen Worten wiederzugeben trug allerdings nicht dazu bei, den Schmerz zu lindern, den das Geständnis ihres Großvaters in ihr ausgelöst hatte.
    »Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte das alles nie erfahren«, schloss sie.
    »Khalidah, ich möchte in keinster Weise herablassend klingen … aber bist du dir da ganz sicher?«
    Khalidah unterdrückte ihren auf keimenden Ärger und fragte ihn, wie er das meinte.
    »Dir ergeht es jetzt wie mir, als mir Ghassan von meiner Mutter erzählte. Damals war ich wütend auf ihn, weil ich meinte, er hätte mir eine neue Last aufgebürdet, wo ich doch schon so viele alte zu tragen hatte. Aber jetzt glaube ich, dass dieses Wissen eines Tages zu Antworten und zu einer Art von Frieden führen könnte.«
    »Im Moment kann ich mir gar nicht vorstellen, dass es so etwas wie Frieden je wieder für mich geben wird.«
    »Möglich, aber das ist nicht der springende Punkt. Jedenfalls ändert es nichts an deinen Gründen für deinen Entschluss, zu Saladin zu stoßen, also lass dich davon nicht beeinflussen. Vielleicht klärt sich alles, sowie du dich dieser Herausforderung gestellt hast.«
    »Hoffentlich.«
    »Halt an deinen Zielen fest, Khalidah - wenn nicht um deiner selbst willen, dann zumindest wegen der Menschen, die dir folgen werden.«
    »Was, wenn das keiner tut?«, hielt sie ihm entgegen. »Was, wenn dieser ganze Traum platzt wie eine Luftblase?«
    Sein Gesicht verzog sich zu dem Lächeln, das Khalidah bei sich immer sein Diebeslächeln genannt hatte, und er deutete auf den Hügel hinter ihnen. Khalidah wusste nicht, ob sie erschrocken oder erfreut sein sollte, als sie den von Abi Gul angeführten Menschenstrom sah, der sich auf den Felsen zubewegte, auf dem sie saßen.
     Der Zeitfaktor war ihre größte Sorge, doch die Dschinn beruhigten sie in diesem Punkt immer wieder. Jeder Dschinn im kampffähigen Alter war jederzeit bereit, das Tal zu verlassen, und sie kannten Abkürzungen durch die gesamten Berge zwischen dem Hindukusch und  dem Zagros, sodass sie Saladin erreichen konnten, bevor er gegen die Franken in die Schlacht zog. Lagen die Berge hinter ihnen, dann befanden sie sich wieder in dem Gebiet, in dem Sulayman sich gut auskannte. Sie hatten also gute Chancen, schnell vorwärtszukommen, sagten sie, und der Rest läge in Allahs

Weitere Kostenlose Bücher