Wuestentochter
erlitten, und ich wollte nicht, dass sich Brekhna in eine solche Gefahr begab. Aber was konnte ich tun? Ich hatte ihr mein Wort gegeben, und so ritten Brekhna und Sher Dil gen Norden.« Verbitterung schwang in seinen Worten mit, sein Blick verlor sich in der Ferne.
»Und Sher Dil wurde getötet«, spann Khalidah den Faden weiter.
»Gleich in den ersten Minuten der Schlacht«, nickte Tor Gul Khan. »Die Mongolen benutzen gleichfalls scherenköpfige Pfeile. Einer davon trennte seinen Arm direkt unterhalb der Schulter vom Rumpf. Er war schon tot, als es Brekhna endlich gelang, sich zu ihm durchzukämpfen.« Er seufzte. »Andere Mädchen hätten getrauert, bis die Wunde in ihrem Herzen nach und nach vernarbt wäre. Nicht so Brekhna. Es war, als wäre sie dort oben im Norden mit Sher Dil gestorben. Danach taugte sie nur noch zum Kampf. Sie gab alles auf, was ihr früher Freude bereitet hatte - ihre Musik, ihre Pferde, das Weben, die Beschäftigung mit Pflanzen und all die Kleinigkeiten, die sie am Leben hier geliebt hatte - und nahm freiwillig an jeder Mission teil, zu der wir gerufen wurden. Nach einigen weiteren Kämpfen übertraf sie jeden anderen Krieger hier im Tal an Geschick und Erbarmungslosigkeit. Sie schien in jedem ihrer Gegner den mongolischen Bogenschützen zu sehen, der ihren Geliebten getötet hatte, und sie nahm an jedem von ihnen von neuem Rache.
Und dann trafen sie und ihre Krieger in Persien auf einen kurdischen amir. Er bat sie, ihn Richtung Westen zu begleiten; er würde einen Mann kennen, der ihre Hilfe im Kampf gegen ein Meer von Invasoren brauchen könnte, die er als ›Franken‹ bezeichnete.«
»Und so lernte sie Saladin kennen?«
Tor Gul Khan nickte. »Saladin und die Franken, und ihr verwundetes Herz; ihr verdunkelter Geist sah in ihnen und ihrem Kampf die Verkörperung unseres alten Mythos. Sie und ihre Leute blieben viele Monate lang bei Saladin und kämpften gegen die Invasoren. Als sie endlich nach Qaf zurückkehrte, hatte sie eine neuerliche Veränderung durchgemacht. Ich hatte bis dahin gedacht, nichts könne schmerzlicher sein, als mit ansehen zu müssen, wie aus ihrer Liebe zu Sher Dil ein so bitterer Hass erwuchs, aber als ich sie wiedersah, erkannte ich, dass ich mich geirrt hatte. Jetzt war dieser Hass in religiöse Besessenheit umgeschlagen; die Art von brennender, fanatischer Leidenschaft, die sich von der Seele nährt wie Flammen von Holz und sie rasch zu Asche zerfallen lässt. Sie wollte die Krieger von Qaf zu Saladin zurückführen.«
»Und du hast dich geweigert, sie gehen zu lassen.«
»Kannst du mir daraus einen Vorwurf machen, Khalidah?«, fragte er, und sie sah etwas von seinem alten Feuer in seinen Augen auflodern. »Sie war zu dieser Zeit nicht bei Verstand, war blind für alles, was sich nicht mit ihren Überzeugungen vereinbaren ließ.«
»Dasselbe wurde zu seiner Zeit von jedem von Allahs Propheten behauptet.«
»Vielleicht habe ich deiner Meinung nach einen Fehler gemacht«, erwiderte Tor Gul Khan müde. »Aber das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Ich sagte ihr, ich sei immer noch der Khan, und ich würde ihrem Vorhaben niemals meinen Segen erteilen. In gewisser Hinsicht stellte ich für sie wohl immer noch eine Respektperson dar, denn sie nahm niemanden mit, sondern verschwand eines Nachts nur mit ihrem Schwert, ihrem Pferd und sonst nichts. Sie kehrte zu Saladin zurück und kämpfte einige Jahre für ihn. Ich weiß nicht, was dann geschehen ist; ob es sich um eine plötzliche Erkenntnis oder eine allmählich erfolgende Desillusionierung handelte, aber irgendwann erlosch das Feuer in ihr. Sie verlor ihren Glauben … oder vielleicht einfach nur die Kraft, daran festzuhalten. Ein arabischer Stammeshäuptling, mit dem zusammen sie zahlreiche Schlachten bestritten hatte, hatte sie wiederholt gebeten, ihn zu heiraten. Schließlich nahm sie seinen Antrag an und wurde die Frau von Abd al-Aziz al-Hassani.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte Khalidah, obwohl sie sich vor der Antwort fürchtete.
Tor Gul Khan schwieg lange, ehe er erwiderte: »Sie hat es mir gesagt.«
Khalidah schloss die Augen, als könne sie sich so vor der furchtbaren Wahrheit schützen, die sie gleich zu hören bekommen würde.
»Ich nehme an, sie hat gehofft, sich durch die Heirat, durch ein einfaches Leben als Frau und Mutter vor dem endgültigen Untergang retten zu können«, fuhr Tor Gul Khan mit sichtlicher Überwindung fort. »Aber Brekhna war eine Dschinn, und
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