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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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war so fest, dass auch aus großer Entfernung abgeschossene Pfeile sie nicht durchdringen konnten, selbst wenn sie die Haut darunter durchbohrten. So ließ sich der Pfeil im Ganzen entfernen, wenn man an dem Stoff ringsum zog.
    Sie verstaute so viel in ihren Satteltaschen, wie es ging, und rollte den Rest zu einem ordentlichen Bündel zusammen, dann setzte sie sich auf ihr Bett und sah den anderen Mädchen zu. Nur ein Viertel von ihnen nahm an der Mission teil, doch die meisten anderen halfen begeistert bei den Vorbereitungen. Eine kleine Minderheit allerdings fehlte - diejenigen, deren Familien nicht an Pamirs Prophezeiung glaubten. Obwohl kein Ton der Kritik an ihr oder denen, die sie begleiteten, laut geworden war, spürte sie die Abwesenheit der Nichtgläubigen wie einen scharfen Dolch in ihrer Seite, der sie mit Zweifeln vergiftete.
    »Du kannst es nicht allen recht machen«, riss Abi Guls Stimme sie aus ihrer Versunkenheit.
    »Woher wusstest du, was ich denke?«
    »Dein Gesicht ist wie ein klarer Fluss - es ist nicht schwer, die Steine auf dem Grund zu sehen.«
    »Das macht mir nicht unbedingt Mut«, seufzte Khalidah.
    Abi Gul stopfte ihre Unterwäsche in eine Satteltasche. »Ich wüsste auch nicht, womit ich dir im Moment Mut machen sollte. Aber es nutzt nichts, wenn du hierbleibst und grübelst. Such Sulayman - das scheint immer zu helfen. Mach einen Spaziergang … es kann schließlich sein, dass du Qaf lange Zeit nicht wiedersiehst.«
    Das nahezu unhörbare Zittern, das sich bei den letzten Worten in Abi Guls Stimme geschlichen hatte, jagte Khalidah einen Schauer über den Rücken.
     Der Abend hatte sich wie ein fein gewobener Schleier über das Tal gelegt. Am Fluss grasten die Pferde, während die letzten Arbeiter aus den Obstgärten und von den Feldern zurückkamen. Von den Häusern auf den Hangterrassen stieg blauer Rauch auf. Khalidah schlenderte am Flussufer entlang, dachte an ihren ersten Abend hier - den ersten, an den sie sich erinnerte - und daran, wie sehr er sich von dem heutigen unterschied. Heute Abend würde es weder Musik noch Tanz geben, sondern nur Vorahnungen, Vermutungen, Hoffnungen und Zweifel, die mit der hereinbrechenden Dunkelheit immer stärker werden würden.
    Khalidah spürte schon die Kühle der kommenden Nacht. Sie wusste, dass sie keinen Schlaf finden würde, und sie wusste auch, dass sie nicht zum Schlafsaal zurückgehen konnte, wo sie den unaufhörlichen Fragen und dem Geschnatter von Mädchen ausgesetzt war,  die keine Ahnung hatten, was ihnen bevorstand. Tief in Gedanken versunken ging sie weiter, bis sie plötzlich merkte, dass sich Sulayman zu ihr gesellt hatte. Schweigend steuerten sie auf den Hügel oberhalb des Übungsfeldes zu. Der Wind blies Khalidahs Schal zurück und ließ ihr Haar flattern, das sie zum ersten Mal seit Beginn ihrer Reise offen trug. Abi Gul hatte ihr gesagt, es sei Tradition, dass die Mädchen am Abend vor dem Tag, an dem sie in ihren ersten Kampf zogen, ihre Zöpfe lösten. Sie hatte auch eine höchst komplizierte Begründung dafür genannt, von der Khalidah das meiste vergessen hatte. Im Gedächtnis geblieben war ihr nur, dass es irgendetwas mit Jungfräulichkeit zu tun hatte, obwohl sie sich jetzt fragte, ob das stimmen konnte, denn sie konnte da keinen Zusammenhang erkennen.
    »Überlegst du immer noch, ob du das Richtige tust?«, fragte Sulayman.
    »Nein - dazu ist es zu spät. Aber ich konnte die anderen Mädchen nicht mehr ertragen.«
    »Dann bleib hier, bei mir.«
    »Wie bitte?« Als sie sich zu ihm umdrehte, las sie Kummer und Verlangen in seinem Gesicht, was sie noch mehr verwirrte. »Was ist denn, Sulayman?« Und dann traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. »Du willst nicht mitkommen, nicht wahr? Du möchtest hierbleiben. Ich hätte es wissen müssen … natürlich, du wolltest ja nie etwas anderes …«
    Doch er lächelte nur halb belustigt, halb bekümmert. »Nein, Khalidah, das darfst du nicht denken. Ja, ich liebe diesen Ort, aber meine oberste Pflicht gilt Saladin. Es ist nur … ich habe dich vermisst.«
    Sie schüttelte verständnislos den Kopf. »Mich vermisst? Aber ich war doch die ganze Zeit hier.«
    »Ja - und ich habe dich in all den Wochen kaum zu Gesicht bekommen. Ich weiß, ich bin eifersüchtig, Khalidah, und ich bin auch nicht stolz darauf. Aber allmählich frage ich mich, ob du deine Meinung  geändert hast … ob das, was wir uns auf der Reise hierher versprochen haben, noch gilt - jetzt, wo du Qaf kennst und

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