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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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weißt, was für ein Leben du hier führen könntest.«
    Khalidah senkte schuldbewusst den Kopf. Erst jetzt begriff sie, was in ihm vorgegangen sein musste. Und was er gesagt hatte, traf in gewisser Weise zu - sie war von allem, was geschehen war, was sie gelernt hatte und der Wandlung, die mit ihr vorgegangen war, fast vollständig in Anspruch genommen und abgelenkt worden. Trotzdem hatte er sie gewähren lassen, obwohl ihr Verhalten ihn verletzt haben musste; hatte sich nie von seinen Gefühlen leiten lassen, wenn er ihr Ratschläge gegeben hatte. Khalidah begriff jetzt, wie sehr sie auf ihn baute und dass sie ihn mehr liebte denn je. Sie streckte die Arme aus und zog ihn an sich. Dann küsste er sie, und sie konnte kaum glauben, dass es ihre eigenen Hände waren, die nach dem Knoten in seiner Schärpe tasteten, als er sie in eine Senke auf der Windschattenseite des Hügels zog. Irgendwann einmal hielt er ihre Hände fest.
    »Bist du sicher, Khalidah? Ich dachte, du hättest Angst …«
    Aber sie hatte die Tage schon abgezählt und wusste, dass es so sicher war, wie es sein konnte, und so antwortete sie: »Ich habe viel gelernt, seit ich das gesagt habe, Sulayman, und jetzt habe ich nur Angst, dass der Tod mich holt, ohne dass ich das erlebt habe.«
    Er sah sie einen Moment lang eindringlich an, um sich zu vergewissern, dass sie es ernst meinte; dass sie es hinterher nicht bereuen würde.
    »Ich werde es nicht bereuen«, versicherte sie, und dann lächelte sie.
     

14
    Abd al-Aziz’ Männer machten kurzen Prozess mit Numairs Lagerstatt, nahmen alles, was sich verwerten ließ, an sich und steckten den Rest in Brand. Bilal und Salim sahen zu, wie die Flammen das Zelt verzehrten.
    »Bist du in Ordnung?«, fragte Salim.
    »Mehr oder weniger.« Bilal krümmte die Finger seiner rechten Hand. Sie wurden allmählich taub, weil der Arm unter der Bandage anzuschwellen begann.
    »Lass mich einmal sehen …« Salim zog seinen Dolch und schnitt die Lederstreifen behutsam durch, bis sie zu Boden fielen und die bläulich verfärbte, angeschwollene Haut darunter frei gaben. Er starrte sie einen Moment an, dann sah er zu Bilal auf. »Es tut mir leid.«
    »Die Schmerzen sind auszuhalten«, beruhigte ihn Bilal.
    »Nein - ich meine das andere …«
    »Was denn?« Bilal hob ungläubig die Brauen. »Du hast mir das Leben gerettet.«
    »Ja, und wenn ich nicht ein so in Selbstmitleid versunkenes Bündel Elend gewesen wäre, hätte ich das Lager nie verlassen, ohne dir Bescheid zu sagen, und du wärst mir nie gefolgt …«
    »Und wenn der letzte Strohhalm nicht auf das Kamel geladen worden wäre, wäre es nicht zusammengebrochen«, unterbrach Bilal trocken. »Was geschehen ist, ist geschehen, und wir sind beide noch am Leben. Außerdem sind wir ihn endlich los.«
    Beide blickten zu Numairs verkrümmtem Körper hinüber. Der mit Straußenfederteilen befiederte Pfeil ragte noch immer aus seinem Rücken. Die Beduinen hatten zwar sein Hab und Gut unter sich verteilt, schienen sich aber davor zu scheuen, den Toten zu berühren.
    »Und was ist mit dir?«, wollte Bilal wissen. »Wie fühlst du dich, nachdem du …«
    Zum ersten Mal seit Cresson erhellte das strahlende Lächeln, in das sich Bilal einst verliebt hatte, Salims Gesicht. »Nachdem ich ihn getötet habe?«, beendete er den Satz. »Erstaunlich gut, muss ich sagen. Anscheinend habe ich genau das gebraucht, um endlich aus dem Traum zu erwachen, in dem ich während der letzten Wochen gefangen war.«
    Bilal war nicht sicher, ob er das glauben sollte, wollte aber auch keine Zweifel äußern. Salim ging zu dem Leichnam hinüber und stieß ihn mit dem Fuß an. »Willst du seinen Kopf? Du kannst ihn meinem Vater als Geschenk mitbringen.«
    Aus dem Traum erwacht - so kann man es auch nennen, dachte Bilal. Er fand Salims sachliche Gefühllosigkeit mindestens ebenso beunruhigend wie zuvor seine teilnahmslose Apathie. »Nein«, entgegnete er. »Sollen ihn doch die Geier fressen.«
    Salim betrachtete den Leichnam mit sichtlichem Bedauern, schob sein Schwert aber wieder in die Scheide zurück. Bilal stieg auf Numairs Pferd, einen kräftigen Fuchs, dessen Namen er nicht kannte. Es widerstrebte ihm, Anjum den Aasfressern zu überlassen, aber ihm blieb keine andere Wahl. Er sprach ein stummes Gebet für sie, dann wendete er Numairs Pferd und folgte den anderen zum Lager zurück.
    Trotz Abd al-Aziz’ Protesten führte Salim ihn direkt zum Zelt seines Vaters. Während die Gefolgsleute des Scheichs

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