Wuestentochter
festem Griff gepackt hielten. In ihren Augen loderte der Irrsinn, und sowie sie Tripolis sah, begann sie gellend zu kreischen. »Ich verfluche euch im Namen Allahs und seines Propheten Mohammed! Ich verfluche euch im Namen aller Propheten vor ihm und aller Engel im Himmel! Führ deine Männer weiter, Ungläubiger, und ihr seid alle verdammt! Ihr werdet im ewigen Feuer der Hölle schmoren …«
»Das reicht«, sagte Tripolis ruhig auf Arabisch zu ihr.
Sie spie ihm ins Gesicht.
»Dafür wirst du brennen, du Sarazenenhure!«, schnarrte einer ihrer Häscher, woraufhin sie sich zu ihm umdrehte, lächelte und ihm dann die Zähne in den Arm schlug.
»Brennen sollst du!«, brüllte der Mann. Einige seiner Kameraden hatten sich bereits aus ihren Reihen gelöst, um eines der erlöschenden Lagerfeuer neu zu entfachen.
»Dafür ist jetzt keine Zeit!«, donnerte Tripolis wutentbrannt. »Lasst sie, sie ist nicht weiter wichtig.«
»Sie ist vom Teufel besessen«, gab einer der Männer zurück. »Hexen müssen brennen.«
»Ihr sollt aufhören, habe ich gesagt …«
Aber die entfesselten Christen hatten die Frau bereits an Händen und Füßen gefesselt und schleiften sie zum Feuer hinüber. Tripolis konnte nur resigniert und angewidert zusehen, wie sie sie wie einen Sack Gerste hochhoben und in die Flammen schleuderten. Ihre Kleider und ihr Haar gerieten sofort in Brand, dennoch gab sie keinen Laut von sich. Das Feuer schien ihrer Haut nichts anhaben zu können; die Flammen perlten von ihr ab wie Regen und hinterließen nicht die geringste Rötung, als sie sich mühsam aufsetzte. Als sich ihr Blick mit dem von Tripolis kreuzte, verzogen sich ihre Lippen erneut zu einem Lächeln.
»Du siehst, ihr habt keine Macht über uns«, krächzte sie. »Wir sind wie tief im Erdreich verwurzelte Bäume, die immer nachwachsen, egal wie oft sie beschnitten werden. Diejenigen von euch, die diesen Tag überleben, werden feststellen, dass sie alles verloren haben, was ihnen lieb und teuer war. Euer Blut wird dieses Land bewässern, und wir werden es trinken. Wir werden …«
In diesem Moment hob einer der Infanteristen mit vor Wut und Angst verzerrtem Gesicht seine Streitaxt und spaltete ihr den Kopf. Der Körper der Frau kippte in die Flammen, doch ein Auge starrte zu Tripolis empor, als er sein Pferd wendete und den Fußsoldaten scharf gebot, ihren Platz in den Reihen wieder einzunehmen, wenn sie nicht sein Schwert zu spüren bekommen wollten. Doch trotz des Zornes, der ihn zu überwältigen drohte, hatte sich das Bild dieses spöttischen, ihn verhöhnenden Auges unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt. Er wusste es noch nicht, aber es würde ihn von nun an bis zum Tag seines Todes heimsuchen.
22
Kurz nach Anbruch der Abenddämmerung kehrten die muslimischen Kundschafter nach Kafr Sabt zurück und teilten dem Sultan mit, die fränkische Armee habe sich in Marsch gesetzt. Zuerst konnte Saladin kaum glauben, dass sein Plan so gut aufgegangen war, und vermutete hinter der offenkundigen Leichtgläubigkeit der Franken eine Falle. Doch als sein Sohn Al-Afdhal denselben Verdacht äußerte, änderte der Sultan seine Meinung.
»Alhamdulillah«, sagte er zu seinen versammelten umara. »Wir müssen Allah für dieses Geschenk danken … es ist wahrlich ein Geschenk des Himmels. Brecht heute Morgen eure Zelte ab, und verlegt eure Männer auf die Ebene zwischen den Hörnern von Hattin und dem See. Sorgt dafür, dass es keine Lücke gibt, durch die die Franken zum Wasser gelangen können. Wir werden sie morgen dort angreifen.«
»Warum marschieren wir nicht jetzt gleich los und kämpfen heute?«, fragte Al-Afdhal mürrisch.
Sein Vater maß ihn mit einem kalten Blick. »Warum nicht, Salim?«
Salim schrak aus seiner Gedankenversunkenheit. »Weil morgen Freitag ist.«
»Ganz recht«, erwiderte sein Vater trocken, ohne den Blick von seinem ältesten Sohn zu wenden, der jetzt vor Scham und Wut rot angelaufen war. »Ich habe es mir schon immer zum Ziel gesetzt, Allahs Schlachten an Seinem heiligsten Tag auszutragen, wenn mir dies möglich ist. Aber das ist nicht der einzige Grund. Al-Afdhal?«
Da Al-Afdhal nur finster das Gesicht verzog, fuhr sein Vater fort: »Die Franken haben sich mit ihrer Entscheidung, Tiberias zu befreien, zermürbenden Strapazen ausgesetzt - wer von euch erinnert sich an eine so sengende Hitze, wie wir sie seit einer Woche erleben, oder kennt eine Straße mit so wenigen Wasserlöchern wie die, die die Franken
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