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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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befanden und es ihnen dennoch versagt wurde, verschlechterte die Moral der fränkischen Armee nachhaltiger, als es alle muslimischen Pfeile vermocht hatten. Als sie Saladins Front kreuzten, konnten die meisten Männer kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen. Sogar diejenigen, die das Glück gehabt hatten, ihre Wasserschläuche füllen zu können, trieb die glühende Hitze allmählich in den Wahnsinn, dazu kam das  unaufhörliche Trommelgedröhne der muslimischen Armee, das von der ausgedörrten Erde aufzusteigen schien wie der Herzschlag der Hölle. Gegen Mittag erreichten Tripolis und seine Vorhut das Dorf Miskinah. Als sie dort Rast machten, überbrachte ihnen ein Bote die Nachricht, dass die Nachhut zum Anhalten gezwungen worden war. Tripolis unterstellte die Division vorübergehend dem Kommando seines Stiefsohnes Hugh, jagte zum Mittelteil der Armee zurück, hielt dort nach Guys Standarte Ausschau und drängte sich zu ihr durch, bis er Seite an Seite mit dem König ritt.
    Ohne jegliche Formalität sagte er: »Wenn wir dieser Straße weiter folgen, treffen wir auf den Hauptteil der muslimischen Armee, und meine Männer können kaum noch stehen, geschweige denn kämpfen. Sie brauchen Wasser und einen Platz, wo sie sich ausruhen können, sonst sind sie verloren.«
    In Guys Augen lag ein leerer, geistesabwesender Ausdruck, und seine Stimme klang vollkommen tonlos, als er fragte: »Und? Was sollen wir tun?«
    »Nicht weit von hier zweigt ein Pfad von der Hauptstraße nach links ab. Er führt zu dem Dorf Hattin. Es ist nicht weit, und dort gibt es Quellen. Außerdem liegt es in der Nähe des Sees. Wir können es morgen erreichen, und wenn wir wieder Wasser haben, haben wir noch eine Chance, diese Katastrophe zu überstehen.«
    Kerak, der zur anderen Seite des Königs ritt, hatte Tripolis’ Vorschlag mit finsterer Miene gelauscht. Jetzt platzte er heraus: »Die einzige Katastrophe bestünde darin, dass Eure Hoheit diesem Verräter …«
    Doch sowohl zu Keraks als auch zu Tripolis’ Überraschung unterbrach Guy ihn scharf: »Schweigt! Es war Euer Vorschlag, der uns in diese missliche Lage gebracht hat.« Er maß Kerak mit einem für ihn untypischen drohenden Blick. »Ich hätte auf den Grafen hören sollen, als er dazu riet, in Sephorie zu bleiben. Da ich dies versäumt habe,  werde ich zumindest jetzt seinen Rat befolgen. Gebt den Befehl aus, dass wir nach Hattin reiten!«
    Obwohl unklar blieb, an wen die Order gerichtet war, verlor Tripolis, der fürchtete, Guy könne sich erneut anders besinnen, keine Zeit. »Hoheit«, sagte er, dann wendete er mit einem knappen Nicken sein Pferd und galoppierte so schnell wie möglich mit den neuen Befehlen zu seiner Vorhut zurück.
     »Haben sie den Verstand verloren?«, fragte Al-Afdhal seinen Vater.
    Sie saßen auf einem Hügel oberhalb des Lagers auf ihren Pferden und beobachteten, wie in den Reihen der christlichen Armee unter ihnen das Chaos ausbrach. Saladin verfolgte das Geschehen noch einen Augenblick kommentarlos. Auch die umara warteten schweigend ab. Endlich ergriff der Sultan das Wort. »Sie haben eingesehen, dass sie sich nicht bis Tiberias durchschlagen können«, erklärte er. »Und jetzt ändern sie ihre Marschrichtung und versuchen, nach Hattin zu gelangen.«
    »Woher willst du das wissen?«, schnaubte Al-Afdhal.
    Die umara rechneten damit, dass der Sultan seinen überheblichen Sohn scharf zurechtwies, doch Saladin behielt seine eigentümliche Gelassenheit bei, als er erwiderte: »Weil sie inzwischen vor Durst halb von Sinnen sind und es nur in Hattin für sie erreichbare Quellen gibt.« Er wandte sich abrupt zu seinen umara um. »Taqi ad-Din!«
    Der Neffe des Sultans hatte an diesem Tag bereits die Vorhut der Christen angegriffen und war erst vor einer halben Stunde in das Lager zurückgekehrt, um dem Sultan Bericht zu erstatten und neue Befehle entgegenzunehmen. Obwohl er verschwitzt und mit Staub bedeckt war und seine zerrissene Tunika über dem Kettenhemd vor Blut starrte, wirkte er so frisch und ausgeruht, als habe der Tag eben erst begonnen.
    »Herr?« Er trieb sein Pferd ein paar Schritte vor.
    Saladin seufzte. Einmal mehr wünschte er, diesen Mann zu seinem Erben machen zu können. »Deine Division blockiert immer noch bei Lubiyah die Hauptstraße nach Tiberias?«
    »Ja.«
    »Zieh sie von dort ab, und blockiere stattdessen die Straße nach Hattin.«
    »Das wird nicht gelingen«, murmelte Al-Afdhal. »Die Franken befinden sich viel näher bei Hattin

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