Wuestentochter
er so leise, dass niemand es hören konnte.
Doch de Ridefort hatte die Worte trotzdem verstanden. Laut und vernehmlich erwiderte er: »Nur mit Gott, Graf … denn wir Templer sind von Gott dazu auserkoren, dieses Königreich zu beschützen, und wir würden eher unsere Mäntel in den Staub stampfen als eine christliche Stadt tatenlos aufgeben.«
Tripolis schüttelte erneut den Kopf. »Das werdet Ihr noch bitter bereuen.«
»Dieses Lied haben wir schon einmal gehört, Tripolis«, grunzte Kerak. »Ihr versucht uns mit Euren Geschichten über die Stärke der muslimischen Armee Angst einzujagen, weil Ihr die Freundschaft der Ungläubigen sucht - sonst würden Euch solche Worte nicht über die Lippen kommen. Wenn Ihr mir sagt, dass sie uns zahlenmäßig überlegen sind, dann antworte ich Euch dies: Ein Feuer wird nie durch die Menge des Holzes erstickt, die es zu verbrennen versucht.«
Die sich im Zelt drängenden schläfrigen Barone nickten und bekundeten murmelnd ihre Zustimmung. Tripolis hätte ihnen allen keine Beachtung geschenkt und weitere Argumente vorgebracht, wenn er geglaubt hätte, Guy noch zur Vernunft bringen zu können. Aber ein Blick in das Gesicht des Königs verriet ihm, dass der König Keraks Verheißungen von Ruhm und Ehre erlegen war. Er schwelgte in Fantasien von einem Sieg in einer Schlacht, die, wie Tripolis wusste, von vorneherein so verloren war wie ihre Heilige Stadt und vielleicht ihr gesamtes Königreich.
»Also gut.« Er war zu müde, um noch Bitterkeit zu empfinden. »Da ich einer von Euch bin, schließe ich mich Euch an. Ich werde an Eurer Seite kämpfen, aber Ihr werdet ja sehen, was geschehen wird.« Als er auf dem Absatz kehrtmachte, um seine Männer zu wecken, breitete sich eine unheimliche Stille im Zelt aus.
Guy hatte zwar Tripolis’ Rat in den Wind geschlagen, aber nichtsdestotrotz seine Warnungen nicht vergessen, und er wusste, dass er seine Armee nicht quer durch die Wüste marschieren lassen durfte. Obwohl Saladin seine Truppen äußerst geschickt positioniert hatte, gab es zwischen Saffuriyya und Tiberias noch einige offene Wege. Guy begriff, dass er sich an die Routen halten musste, die eine Versorgung mit Wasser gewährleisteten. Daher blieben ihm nur die nach Turan, wo es eine kleine Quelle gab, oder die nach Lubiyah und Hattin. Die Quelle des Dorfes Hattin war größer als die von Turan, außerdem hatten sie dort Zugang zum See bei Al-Majdal. Am Ende beschloss er, gen Süden in Richtung Kafr Kana zu marschieren und dann nordöstlich abzuschwenken, um in der Nähe von Turan wieder auf die Hauptstraße nach Tiberias zu gelangen.
Tripolis, der sich jetzt wider besseres Wissen diesem dem Untergang geweihten Unternehmen verschrieben hatte, bestand darauf, die Vorhut anzuführen. Guy ritt in der Mitte, flankiert von den Bischöfen von Lydda und Akkon, die die eigens von Jerusalem herbeigeschaffte Reliquie trugen, die einen Splitter vom Kreuz Christi enthielt. Die Templer bildeten die Nachhut, doch das Kommando über sie war nicht ihrem Großmeister, sondern Balian d’Ibelin übertragen worden. Tripolis empfand es als verdächtig, dass de Ridefort nicht dagegen protestierte, brachte aber nicht die Energie auf, darüber nachzugrübeln, was sein alter Rivale im Schilde führen mochte. Außerdem zählte das jetzt nicht mehr.
Guys mitternächtliche Begeisterung war rasch abgeflaut, als die erschöpften Soldaten sich formierten. Die hell und klar am Himmel funkelnden Sterne verrieten ihnen, welche Hölle sie erwartete, wenn die Sonne aufging. Die Stimmung verdüsterte sich weiter, als die Pferde das ihnen angebotene Wasser verweigerten, obwohl es gekostet und für klar und sauber befunden worden war. Diese Weigerung konnte sich sowohl für die Tiere als auch für die Reiter leicht als tödlich erweisen, denn jeder Ritter in diesem erbarmungslosen Land wusste, dass er ohne sein Pferd verloren war. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug kam es, kurz bevor sie aufbrechen wollten, in den vordersten Reihen zu einem Tumult. Tripolis bahnte sich einen Weg durch die Linien der Ritter und der Infanterie, um zu sehen, was der Auslöser dafür war. Was er erblickte, jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken - es war ein Vorzeichen drohenden Unheils, das, gerade weil es auf den ersten Blick nichts mit ihrer Mission zu tun haben schien, unbedingt beachtet werden musste.
Eine unverschleierte Sarazenin setzte sich wild gegen zwei Infanteristen zur Wehr, die sie mit
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