Wuestentochter
Bogenschützen schloss er, dass es sich um Türken handelte, die es tunlichst vermieden, in Zweikämpfe verstrickt zu werden. Sie würden ihre Pfeilvorräte verschießen und dann kehrtmachen und in dem Wald verschwinden, aus dem sie gekommen waren. Und tatsächlich trat im nächsten Moment genau dieser Fall ein. Der Pfeilhagel ebbte ab, und statt des gespenstischen Sirrens waren nur noch die Schmerzensschreie der Verwundeten zu hören.
Jetzt löste Tripolis sich aus seiner Erstarrung. Er drängte sich zwischen den Reihen hindurch, um das Ausmaß des Schadens zu inspizieren, das sich als beträchtlich erwies. Die durch Erschöpfung, Durst und vielleicht auch die Erkenntnis, dass sie dem Untergang geweiht waren, geschwächten Fußsoldaten hatten dem Angriff kaum etwas entgegenzusetzen gehabt und teuer dafür bezahlt. Überall lagen Verwundete und Sterbende verstreut. Die Glücklicheren von ihnen waren direkt in den Hals oder das Herz getroffen worden, doch die meisten hatten Bauchschüsse oder Knochenbrüche davongetragen und wanden sich jetzt in Todesqualen im Staub.
Aber in die Schmerzensschreie mischte sich ein falscher Ton, den Tripolis mehr spürte als hörte. Gleich darauf sprang ihm der Grund dafür förmlich ins Auge: ein abgetrennter Arm, über den sein Pferd gestolpert war. Der Mann, dem er gehört hatte, war bereits tot, doch Tripolis stieg trotzdem ab und untersuchte die Wunde. Es war ein sauberer Schnitt, und wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er gesagt, er stamme von einem Schwert. Er suchte den Boden ab, bis er endlich den Verursacher fand - einen Pfeil mit gegabelter Spitze, die ihn an die Schneiderschere seiner Frau erinnerte.
Ehe seine Männer ihn sehen und in Panik geraten konnten donnerte er: »Zurück in die Reihen! Vorwärts!« Doch der Befehl klang in seinen eigenen Ohren nur halbherzig und wurde auch nur halbherzig befolgt. Von dem Wald aus, in den sich ihre Einheit zurückgezogen hatte, beobachtete Khalidah, wie die fränkischen Befehlshaber versuchten, die zersprengten Truppen dazu zu bringen, sich neu zu formieren. Und als die geschlagenen Ritter vorwärtsstolperten, keimte echtes Mitleid in ihr auf.
Dem Rest der christlichen Armee erging es auch nicht besser. Sie waren zu weit in das unwirtliche Gelände vorgedrungen, um sich im Falle eines Angriffs in Sicherheit bringen zu können, und Hitze, Durst und Erschöpfung zehrten unerbittlich an ihren Kräften. Und als sie sich Kafr Sabt und der muslimischen Front näherten, mussten sie sich Scharen feindlicher ghuzat erwehren, die der Sultan ausgeschickt hatte, um sie weiter zu peinigen. Ihre Pferde erlagen einem Kollaps oder den gegnerischen Pfeilen, sodass die Ritter gezwungen waren, in ihren schweren Rüstungen zu Fuß weiterzumarschieren. Einige brachen entkräftet zusammen, andere warfen ihre Rüstung einfach von sich, weil sie es vorzogen, sich den Geschossen der muslimischen Artillerie auszusetzen, statt langsam zu Tode gesotten zu werden.
Gegen zehn Uhr morgens hatte die Division des Königs Turan erreicht. Die Männer, die der Hitze getrotzt hatten, waren während der letzten Stunden nur von dem Gedanken angetrieben worden, diese Stadt zu erreichen, die Wasser, Futter für die noch lebenden Pferde und Schutz vor der unerträglichen Hitze versprach. Die linke Flanke brach auseinander, sowie das Wasser in Sicht kam, und die Soldaten schenkten den Befehlen ihrer Kommandanten, die sie zurückriefen, keinerlei Beachtung mehr.
»Was tun sie denn da?«, rief Guy von der Mitte seiner Formation her, wo er, umgeben von mit Wasserschläuchen beladenen Packponys, hinter der heiligen Reliquie herritt.
»Sie haben Wasser gesehen, Hoheit«, erwiderte einer seiner Ritter. »Und sie müssen inzwischen halb verdurstet sein.«
Doch Guy war im Verlauf des Morgens, als die Angriffe der Muslime heftiger und heftiger geworden waren, immer mehr in Panik geraten, und diese Panik löschte jetzt seinen letzten Rest von Vernunft aus.
»Wir können hier nicht Halt machen!«, bellte er. »Wir befinden uns in zu großer Nähe zur Hauptarmee des Sultans, wir müssen weiter!« »Hoheit«, begann der Ritter vorsichtig, doch Guy schnitt ihm das Wort ab.
»Weiterreiten, sage ich! Sorgt dafür, dass sich die linke Flanke wieder formiert und dass niemand seinen Platz ohne Erlaubnis verlässt.«
»Wie Ihr wünscht, Hoheit.« Der Ritter trieb sein Pferd an, um den Befehl seines Königs auszuführen.
Dass sie sich so nah an dem rettenden Wasser
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