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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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ein alter, kranker Mann, dessen Lethargie sich auf seine gesamte Umgebung übertrug. Aber das jüdische Viertel war anders, so … so lebendig. Ich pflegte immer morgens dort herumzustreifen, wenn die Buchhandlungen und Apotheken gerade öffneten und der Duft frisch gebackenen Brotes durch die Straßen zog … nun, das wird dich nicht interessieren. Du wirst wissen wollen, wie ich Haya kennengelernt habe.«
    Sulayman saß wie erstarrt da. Er wagte kaum zu atmen, während er fast ängstlich darauf wartete, dass der Sultan weitersprach.
    »Sie befand sich weit fort von ihrer Heimat. Ihre Familie stammte aus Persien, aus Schiras, aber ihre Schwester hatte im Jahr zuvor einen ägyptischen Arzt geheiratet und ihm gerade Zwillinge geboren. Haya war von ihren Eltern nach Kairo geschickt worden, um ihr zur Hand zu gehen … und vermutlich auch, um selbst einen Mann zu finden.«
    »Und stattdessen«, hörte sich Sulayman bitter sagen, »fand sie dich.«
    Saladin zuckte mit keiner Wimper. »Wir fanden einander, Sulayman. Ich habe nie eine Frau gegen ihren Willen genommen, und Haya war zwar jung, aber kein Kind mehr. Sie wusste genau, was sie tat. Sie erwählte mich, so wie ich sie erwählte.«
    »Und als sie schwanger war, hast du sie einfach ihrem Schicksal überlassen!«
    Der Sultan hob die Brauen. Seine Lippen verzogen sich zu einem humorlosen Lächeln. »Hat man das dir gegenüber so dargestellt? Es tut mir leid, Sulayman, aber die Wahrheit lautet, dass sie mich verlassen hat. Ich konnte sie nicht heiraten - unsere Religionen verboten das -, aber ich hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass ich immer für sie sorgen würde. Ich hatte sogar schon ein Haus für sie gefunden, als sie plötzlich spurlos verschwand. Ich konnte mir lange nicht  erklären, warum sie ohne ein Wort, ohne eine Nachricht zu hinterlassen fortgelaufen war. Ich suchte sie überall und erfuhr endlich, dass sie tot war, ihr Kind - ein Sohn namens Sulayman - aber lebte. Lange Zeit grübelte ich immer wieder über mögliche Gründe für ihre Flucht nach und kam schließlich zu dem Schluss, dass sie sich eingeredet haben musste, ich würde sie im Stich lassen, sowie ich von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Also verließ sie Kairo … vermutlich, um zu ihrer Familie zurückzukehren.«
    »Genauso war es«, bestätigte Sulayman. »Aber ihre Familie verstieß sie. Sie war auf dem Rückweg zu dir, als ich in einem ma’dan-Dorf geboren wurde. Ich weiß allerdings nicht, wann oder warum sie nach Kairo zurückgegangen ist.«
    Saladin seufzte. »Das werden wir jetzt wohl nie mehr erfahren. Wie dem auch sei, ich machte mich auf die Suche nach dir, aber auch du warst unauffindbar. Ich hatte schon längst jede Hoffnung aufgegeben, dich je aufzuspüren, und dann tauchtest du an jenem Abend plötzlich in meinem Lager in den Bergen auf - das Ebenbild deiner Mutter.«
    »Warum hast du mir damals nicht schon die Wahrheit gesagt?«, fragte Sulayman leise.
    Saladin schüttelte den Kopf. »Weil ich Zeit brauchte, um an dieses Wunder glauben zu können, aber auch, weil du schon ein erwachsener Mann warst, der sein eigenes Leben lebte. Ich dachte, es wäre für dich besser, wenn ich mein Geheimnis für mich behielte.«
    »Und warum hast du jetzt deine Meinung geändert?«
    »Weil sich unsere Wege immer wieder zu kreuzen scheinen. Das muss Allahs Wille sein, über den ich mich nicht hinwegsetzen darf. Und weil wir beide heute hier sterben können und mein Gewissen es mir verbietet, die Wahrheit über deine Herkunft mit ins Grab zu nehmen. Ich kann dich zwar nicht als meinen legitimen Sohn anerkennen, aber ich kann zumindest unserer Blutsverwandtschaft Respekt zollen. Deswegen möchte ich, dass du heute an meiner Seite kämpfst.«
    Sulayman sah seinen Vater lange an. Er fühlte sich auf eine seltsame Weise von der Wirklichkeit losgelöst, wie in einem Traum gefangen, obwohl der Rauch und der Staub, der Schweiß, der ihm den Hals und den Rücken hinunterrann und die Schreie der Bussarde hoch oben am Himmel greifbar und real genug waren. Endlich stieß er einen tiefen Seufzer aus.
    »Ich muss das alles erst verarbeiten, aber ich bin dir trotzdem dankbar für deine Aufrichtigkeit. Und dein Wunsch ehrt mich, trotzdem kann ich ihm nicht entsprechen. Ich habe mich verpflichtet, die Dschinn in diesen Kampf zu führen, und ich pflege meine Versprechen nicht zu brechen. Doch wenn all dies vorüber ist …« Jetzt begann seine Stimme doch zu zittern. »Vielleicht können wir dann unser

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