Wuestentochter
gewährt.«
Der Mann maß ihn mit einem scharfen Blick. »Das waren ja auch keine Ritter.«
»Ritter?«, wiederholte Bilal, wartete aber nicht auf eine Bestätigung, sondern bahnte sich einen Weg durch die Menge, bis das Zelt des Sultans in Sicht kam. Die Klappe war hochgerollt, Saladin saß, umringt von seinen Söhnen und seinen Chronisten, in voller Uniform auf einem Seidenkissen. Vor ihm knieten neun Männer mit auf dem Rücken gefesselten Händen, die von bewaffneten Mamluken bewacht wurden.
»… wiederholt das alles bitte noch einmal«, sagte der Sultan gerade.
Einer der Franken, ein junger Mann mit blutunterlaufenen Augen und einem rotgoldenen Bart, antwortete auf Französisch, und einer der Chronisten übersetzte dem Sultan seine Worte. »Sie marschieren nach Hattin - zu der Quelle dort -, aber selbst wenn deine Armee ihnen nicht den Weg versperren würde, ist es unwahrscheinlich, dass sie das Dorf erreichen. Der gestrige Marsch hat sie ihre letzten Kräfte gekostet, Herr. Wenn du sie jetzt angreifst, werden sie kaum Widerstand leisten.«
Der Sultan musterte den Franken einen Moment lang, dann nickte er kaum merklich. Die Mamluken zerrten die gefesselten Männer auf die Füße und begannen sie abzuführen. Der rothaarige Ritter protestierte: »Wartet! Ich habe euch wichtige Informationen geliefert!«
»Du musst nicht fürchten, um deine Belohnung gebracht zu werden«, entgegnete der Sultan ruhig. »Die Wächter werden dir nichts zu Leide tun. Du bekommst zu essen und zu trinken. Aber du wirst verstehen, dass ich dich unter diesen Umständen nicht frei lassen kann - zumindest nicht, bis wir uns unseres Sieges sicher sind. Bis dahin seid ihr meine Gäste.« Ein leises Lächeln spielte um Saladins Lippen, als sich der Ritter daraufhin widerstandslos fortführen ließ. Doch Bilal war sicher, dass auf dem Gesicht des Mannes Tränen geglitzert hatten.
Nachdem die Ritter das Zelt verlassen hatten, löste sich die Menge der Schaulustigen rasch auf. Bilal trat vor, Sulayman hielt sich einen Schritt hinter ihm. Nach einem Moment hefteten sich die Augen des Sultans auf ihn. Sulayman gab seinen forschenden Blick ruhig zurück, und schließlich belohnte ihn der Sultan mit einem schwachen Lächeln.
Dann wandte er sich an seine Söhne. »Wir blasen in Kürze zum Angriff. Geht zu euren Truppen und haltet euch bereit. Ich muss noch kurz mit diesem Mann sprechen, dann komme ich nach.«
Sowie sie allein waren bedeutete Saladin Sulayman, näher zu treten und neben ihm Platz zu nehmen. Sulayman zog sich dankbar in den Schatten des Zeltes zurück. Die Sonne brannte schon jetzt heiß vom Himmel, und er schwitzte in seiner Rüstung. Später am Tag würde die Hitze unerträglich werden, aber daran wollte er im Moment nicht denken. Stattdessen versuchte er, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
»Danke, dass du gekommen bist«, begann der Sultan.
»Dein Wunsch ist mir Befehl, Herr.«
»Du fragst dich sicher, warum du hier bist.«
Sulayman erwiderte nichts darauf.
»Du bist hier«, fuhr Saladin nach kurzer Überlegung fort, »weil es dein gutes Recht ist.«
Sulayman runzelte die Stirn. »Verzeih, Herr, aber ich verstehe nicht, was du meinst.«
Saladin seufzte. »Erinnerst du dich an Kairo, Sulayman?«
»Ich war noch ein Kind, als ich zum letzten Mal dort war, daher ist mein Erinnerungsvermögen vielleicht getrübt, aber ich glaube, es war eine hektische, schmutzige, vor Leben vibrierende, schöne Stadt.«
Der Sultan lächelte. »Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Mir hat es dort gefallen, was allerdings nur sehr wenige Menschen wissen. Ich habe mich zum ersten Mal frei gefühlt. In Damaskus musste ich meinem Onkel Nuradin über jeden meiner Schritte Rechenschaft ablegen, und während der ersten Zeit in Ägypten wurde ich dann seinem Statthalter Shirkuh unterstellt. Nach ein paar Jahren stand fest, dass wir die Fatimiden besiegen und ich danach zum Wesir ernannt werden würde. Danach war ich endlich mein eigener Herr.« Er sah Sulayman an. »Warst du je in dem jüdischen Viertel?«
Sulayman brauchte einen Moment, um sich auf den abrupten Themawechsel einzustellen, und dann meinte er, eine eisige Hand würde sich um sein Herz schließen. Da er keinen Ton herausbrachte, schüttelte er nur stumm den Kopf, ohne den Blick von Saladin zu wenden. Dem Sultan entging die unausgesprochene Frage in seinen Augen nicht.
»Ich liebte diesen Teil der Stadt besonders«, fuhr er fort. »Der damalige Kalif war
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